Bericht Regionalgruppe Elbe-Weser am 7. Februar und 11. April 2019

Seit der Gründung im November 2018 trafen sich Betroffene und Angehörige bereits zum 2. Mal, um sich untereinander über Erfahrungen, Erlebnisse, Befinden oder Probleme auszutauschen. Dass ich aus Ludwigsburg die Gruppe leite, liegt dran, dass es vor Ort niemanden gab, der eine Gruppe aufbauen oder leiten konnte oder wollte. Wenn auch Stade nicht gerade um die Ecke ist und ich einen langen Anfahrtsweg habe, möchte ich diese Gruppe nicht mehr aufgeben. Zudem ist heute vieles möglich, was früher undenkbar gewesen wäre. Heute kann ich an einem Tag von Ludwigsburg nach Stade und von Stade nach Ludwigsburg kommen und das zu einem Preis, der nicht höher ist, als würde ich von hier nach Heidelberg mit dem Auto fahren und die steuerlichen 0,30 EUR pro Kilometer abrechnen.

Ich kam so gegen 13:00 Uhr in der Klinik an und wurde von Frau Spieck sehr liebevoll empfangen. Nach einer kurzen Lagebesprechung gingen wir gemeinsam zum Gruppenraum, da ich den Weg noch nicht kannte. Als wir im Raum ankamen, wurden wir bereits von vielen Betroffenen, Angehörigen und Interessierten erwartet. Mit einem kräftigen Applaus wurde ich begrüßt. Sofort spürte ich die unendliche Dankbarkeit dieser Menschen. Ich wurde auf das herzlichste willkommen geheißen.

An dieser Stelle nutzte ich die Gelegenheit, um mich bei Herrn Professor Stinner und seiner lieben Sekretärin von ganzem Herzen zu bedanken für die Organisation und die notwendigen Vorbereitungen im Hintergrund.

Am 07. Februar 2019 war das erste Treffen nach der Gründung. Keiner wusste, ob und wie viele Betroffene heute erscheinen würden. Voller Erwartung betrat ich den Raum, der gut gefüllt war und wo ich bereits sehnsüchtig erwartet wurde. Sogleich begrüßte ich sehr herzlich die Anwesenden und wollte mit der Gruppe beginnen. „Halt, Katharina, wir wollen Dir etwas geben.“ Eine Betroffene stand auf und las mir vor, was die Anwesenden im Vorfeld für mich geschrieben hatten. Es wurde mir ein Dankesschreiben und ein Geschenk überreicht mit den Worten: „Wir alle sind froh und dankbar, dass wir Dich kennenlernen durften und Du die Gruppe in Zukunft auch leiten wirst. Du machst das so gut und wir brauchen Dich.“ Ich war total überwältigt, so etwas habe ich noch nirgends erlebt. Wieder war ich von der Freundlichkeit und Dankbarkeit der Menschen in der Gruppe überrascht. Ich hatte große Mühe, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Schlagartig wurde mir bewusst, dass der weite Weg, den ich auf mich genommen hatte, gar nichts ist. Diese Menschen freuen sich über mein Kommen und nehmen dankbar meine Hilfe und Unterstützung an. „Danke für Euer Vertrauen, es ist für mich eine Ehre, hier zu sein.“

Nach dieser grandiosen Überraschung begann die Gruppenarbeit. Zunächst begrüßte Herr Professor Stinner und sein leitender Oberarzt der Onkologie, die beide in der Zwischenzeit eingetroffen sind, die Gruppe auf das herzlichste. Wir wiederholten die wichtigsten Regeln unserer Gruppe. Unter anderem wie wir uns ansprechen, miteinander umgehen sowie die geltende Schweigepflicht innerhalb der Gruppe, die für jeden Anwesenden besteht.

Da ich die Gruppe in einem offenen Dialog führe, fragte ich: „Wer hat Fragen, Sorgen, Schwierigkeiten oder wo drückt der Schuh?“ Wie kann es anders sein, es kamen Themen wie Gewichtsverlust, Verdauung, Ernährung, Enzyme, Unterernährung, Chemotherapie, Nebenwirkungen und Schmerzen zur Sprache und jetzt lag es an mir, dass jeder, der heute eine Frage hatte, diese auch beantwortet bekam. Gott sei Dank hatte ich heute große Unterstützung durch die beiden anwesenden Ärzte, wenn auch nur eine begrenzte Zeit. Ich ließ aus Zeitgründen die Fragen, die rein medizinisch waren, zuerst von unseren Gästen beantworten.

Es wurden sehr viele unterschiedliche Fragen gestellt und auch beantwortet und doch hatte ich das Gefühl, dass nicht alle Antworten verstanden wurden. Es war einfach zu viel und zu schnell. Deshalb war es mir wichtig zu erfahren: „Hat noch jemand Fragen, Sorgen, Probleme oder sollten wir noch über Dinge, die Ihnen wichtig sind, sprechen?“ Sofort meldeten sich zwei aus der Gruppe: „Ja, kannst Du uns diese Antwort nochmals erklären, wir haben es eben nicht verstanden.“ Das fand ich ganz super, denn es zeigte mir, dass alle Teilnehmer sehr aufmerksam zuhörten und mein Gefühl nicht falsch war.

Deshalb nutzte ich die Gelegenheit und wies auf die wichtige und sinnvolle Arbeit der Prävention hin, die in fast allen Gruppen, wie auch bei TEB e.V. immer mit einfließt. Oft werde ich gefragt: “Was können wir Betroffene tun, damit wir trotz dieser schweren Erkrankung noch lange leben?“
„Genau hier setzt die Prävention ein. Um nur ein Beispiel zu nennen: Man kann bei der Ernährung mit der richtigen und ausreichenden Einnahme der Enzyme vieles verbessern und enorme Kosten sparen. Außerdem kann man den Betroffenen einen langen Leidensweg ersparen. Es gibt noch ganz viel, wo die Prävention am Anfang steht.“ Alle nickten zustimmend: „Ja, das haben wir schon gemerkt und erfahren!“

Jetzt musste ich zum Ende kommen, denn mein Zug und Flieger warteten nicht. Bevor ich die Gruppe schloss, wollte ich noch ein Feedback: „Wie war die Gruppe? Sind noch Fragen offen? Habt Ihr alles verstanden?“
Alle applaudierten und sagten: „Diese Gruppe ist enorm wichtig für uns. Du führst die Gruppe sehr menschlich und fachlich. Dein Wissen ist enorm. Bitte komm wieder!“
Eine Dame aus der Gruppe fragte spontan: „Soll ich Dich zum Bahnhof Stade mitnehmen?“ Gerne nahm ich das Angebot an.

Zufrieden und glücklich landete ich gegen 22:10 Uhr in Stuttgart. Mein Mann holte mich ab und wir waren gegen 22:30 Uhr zu Hause. Bereits unterwegs konnte ich meinem Mann ganz viel von dem heutigen Tag erzählen und er meinte: „In der Gruppe spürst Du, dass man Dich will und braucht. Hier hat die Selbsthilfe einen besonderen Stellenwert und das ist gut so.“
Mit diesen positiven Gedanken und diesem Erlebnis fiel ich todmüde ins Bett. Doch an Schlafen war nicht zu denken, zu viel musste ich noch verarbeiten.


Zweites Treffen am 11. April 2019
Wieder stand ein Treffen in Stade an. Doch diesmal war alles etwas anders. Ich musste nicht mit dem Zug weiterfahren, sondern wurde bereits von Herrn Steger in Hamburg am Flughafen erwartet. Gemeinsam fuhren wir zur Gruppe, von der er sich ein eigenes Bild machen wollte, damit ich in Zukunft von ihm bei Bedarf unterstützt werden kann. Unterwegs gab ich ihm einige Instruktionen darüber, wie eine Gruppe abläuft oder was uns heute erwarten könnte. Unter anderem erklärte ich ihm, dass wir in der Klinik wie Könige empfangen werden. In der Klinik angekommen wurden wir von Frau Spieck begrüßt. Sie führte uns in die Kantine und sorgte dafür, dass wir ein warmes kostenloses Essen bekamen. Das ist sonst nicht üblich und eher selten.

Nach dem Essen trafen wir uns im Büro von Frau Spieck, dort sprachen wir viele verschiedene Themen an, unter anderem auch, in welchem Raum das nächste Treffen stattfinden soll. Herr Professor Stinner war zu dieser Zeit noch bei einer Whipple Operation und ließ durch Frau Spieck ausrichten, dass er später in der Gruppe vorbeischaut.

Mit vielen wichtigen Information gingen wir in den Gruppenraum. Hier saßen zu diesem Zeitpunkt ca. 10 Personen. Kaffee, Plätzchen und Getränke standen wie immer bereit. Nach einer kurzen, aber sehr herzlichen Begrüßung eröffnete ich die Gruppe; es waren noch nicht alle Plätze belegt, und doch wollte ich keine Zeit verlieren. Sofort wurde ich mit den unterschiedlichsten Fragen bombardiert. Nach und nach trafen weitere Betroffene ein, sodass wir am Ende weit über 15 Teilnehmer waren.

Diesmal hatten wir ganz andere Themen als in der ersten Gruppe. So sprachen wir z. B. über Operationen, Ernährung, Enzyme, ADEK Vitamine, BIA-Messung, Net-Tumore, Bestrahlungen, Gesundheitswesen, Patientenverfügung oder auch Organspende.

Es war ein sehr reges, konstruktives und emotionales Treffen mit vielen Fragen zu den unterschiedlichsten Themen. So gut es ging wurden die Fragen beantwortet. Leider kann man aus Zeitgründen nicht alle Fragen ausführlich und detailliert beantworten. Es bleiben immer Fragen offen. Deshalb bot ich an: „Sollte etwas unklar sein oder jemand dringend Hilfe und Unterstützung brauchen, rufen Sie mich in der Geschäftsstelle an. Sollte ich nicht erreichbar sein, meine Mitarbeiter wissen, wo sie mich finden können. Sie werden Ihnen auf jedenfalls helfen. Das machen wir!“

Herr Steger musste aus terminlichen Gründen bereits gegen 15 Uhr die Gruppe verlassen. Damit er sich von allen verabschieden konnte, gab ich das Wort an ihn weiter: „Es hat mir hier bei Ihnen sehr gut gefallen, ich hatte mir nicht vorstellen können, wie ein Gruppentreffen abläuft“. Wir waren alle neugierig und ich ließ ihn nicht gehen, bevor er uns seine heutigen Eindrücke mitteilte: „Ja, Sie haben recht, Sie werden hier wie ein König empfangen. Ich denke sogar, Sie werden wie ein Kaiser empfangen. Sie bekommen eine große Wertschätzung, die Sie auch verdient haben. Weiter bin ich überrascht, dass diese Gruppe sehr fachlich, menschlich und mit einer hohen Erfahrung geführt wird. Ich hatte mir das Gruppentreffen nicht so vorgestellt, dennoch fahre ich mit ganz vielen positiven Gedanken nach Hause und hoffe, dass wir uns irgendwann wiedersehen.“ Mit einem großen Applaus wurde er verabschiedet.

Kurze Zeit später klopfte es an der Tür. Herr Professor Stinner trat herein und setzte sich zu uns an die Tische. Wir waren mitten in einer Diskussion über das heutige Gesundheitssystem, in dem wir uns alle nicht mehr finden, weil sich sehr viel verändert hat. Geduldig hörte er zu, bis ich das Wort an ihn richtete. Wir hatten wieder Fragen an ihn. Er beantwortete alle unsere medizinischen Fragen zur vollsten Zufriedenheit, auch wenn wir nicht immer seine Antworten teilten, diskutierten wir offen und vertraten unsere Ansichten und Meinungen.

Genau das ist der Sinn einer gut funktionierenden Gruppe, - wir wollen unsere Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung einbringen und zusammen Lösungen finden, damit wir mit der oftmals ausweglosen Situation fertig werden. Das Ziel ist, Wege zu finden, die uns neue Hoffnung und Zuversicht bringen, und wir den Mut nicht verlieren, weiter zu kämpfen.

Nach knapp einer Dreiviertelstunde wollte Herr Professor Stinner wieder gehen. Bevor er ging, ergriff ich die Gelegenheit und fragte jeden Teilnehmer: „War die Gruppe für Dich in Ordnung? Hast Du etwas mitnehmen können? Was können wir verbessern? Ist der Besuch von Herrn Professor Stinner wichtig und sinnvoll?“

Die meisten Fragen, die ich stellte, wurden positiv beantwortet. Eine Betroffene, sie war das erste Mal in der Gruppe und kannte TEB noch gar nicht, bemängelte, dass sie nicht alle ihre Fragen stellen konnte und diese deshalb unbeantwortet wieder mitnimmt. Herr Professor Stinner wie auch ich stellten fest, dass wir auf Grund der Zeit und den vielen Teilnehmern niemals alle Fragen auf einmal beantworten können. Um noch mehr zu erfahren, muss man weiter an den Gruppentreffen teilnehmen. Er bot an: „Gerne beantworten ich oder Frau Stang noch Ihre restlichen Fragen.“

Eine andere Teilnehmerin meinte: „Wir kommen nicht nur hierher, damit unsere Fragen beantwortet werden, sondern wir wollen den Austausch untereinander. Ansonsten finde ich die Gruppe sehr gut und ungeheuer wichtig.“ Alle nickten und applaudierten.

„Herr Professor Stinner, wie empfanden Sie Ihren Besuch bei uns?“ Seine Antwort: „Suuuuuuuuper!“

Dann schloss ich die Gruppe und wünschte jedem einen guten Nachhauseweg.

„Katharina, wie kommst Du an den Bahnhof Stade? Soll ich Dich mitnehmen?“ Plötzlich und unerwartet sagte eine Betroffene: „Ich komme aus Hamburg und wohne in der Nähe des Flughafens, wenn Du willst, nehme ich Dich mit nach Hamburg.“ Dieses Angebot nahm ich dankend an. Die Fahrt war ein Erlebnis, wir sprachen über vieles und hatten dabei das Gefühl, wir kennen uns schon seit vielen, vielen Jahren. Pünktlich wurde ich am Flughafen abgeliefert mit den Worten: „Besser konnte es mir heute nicht gehen, ich hatte die Gruppenleiterin eine anderthalb Stunde ganz für mich alleine und alle meine Fragen wurden ausgiebig beantwortet. Danke, wir sehen uns das nächste Mal bestimmt wieder.“

Pünktlich um 22:10 Uhr landete der Flieger in Stuttgart und mein Mann holte mich wieder ab. Nun hatte ich über eine halbe Stunde Zeit, die ich nutzte, um ihm alles Wichtige und Interessante vom Tage zu berichten. Die Zeit vom Flughafen bis nach Hause genieße ich total, ich kann den Tag aufarbeiten, mein Mann hört zu. Trotz großer Strapazen, die ich gerne in Kauf genommen habe, war es ein schöner, erfolgreicher und erlebnisreicher Tag, um den mich viele beneiden.

Bedauerlicherweise ist es äußerst schwer (die Gründe liegen in der Schwere der Erkrankung), neue Gruppenleiter zu finden. Viele Menschen können und wollen heute keine Verantwortung mehr für eine Gruppe übernehmen. Das Ehrenamt in der Selbsthilfe ist nicht sehr attraktiv und auch nicht erstrebenswert. Meiner Meinung nach müsste ein Anreiz von Seiten der Politik geschaffen werden, damit die Selbsthilfe auch in Zukunft erhalten werden kann.

Katharina Stang