Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs

von Boris Mönnich
Freier Journalist
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Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für deren Angehörige ist Bauchspeicheldrüsenkrebs eine schier unüberwindbare Belastung. Oft bleibt diese Erkrankung lange Zeit symptomlos und endet dann meist tödlich. Hier erfahren Sie, welche Ursachen es für diese Krebsart geben kann, warum man sie oft erst zu spät erkennt und wo man nach der niederschmetternden Diagnose Hilfe findet.

diagnose_bauchspeicheldruesenkrebs.jpgIn der Bundesrepublik Deutschland wird jedes Jahr bei etwa 16.000 bis 20.000 Menschen Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert - mit steigender Tendenz.
Beide Geschlechter sind in etwa gleich häufig betroffen, allerdings erkranken Männer im Durchschnitt mit 60 und Frauen mit 66 Jahren daran. Die Zahl der jüngeren Betroffenen steigt jedoch immer mehr an. Doch im direkten Vergleich zu an- deren Krebsarten gehört diese immer noch zu den selteneren und macht nur etwa drei Prozent aller Krebserkrankungen in Deutschland aus. Die niedrigen Fallzahlen sind auch ein Grund dafür, dass diese Krankheit oftmals keine Lobby hat.
Experten gehen aber mittlerweile davon aus, dass Bauchspeicheldrüsenkrebs rapide zunehmen wird und in naher Zukunft zur häufigsten Krebsart werden könnte.
Um zu verstehen, warum diese Krankheit aber bereits jetzt schon zu den aggressivsten ihrer Art mit
wenig Chancen auf Heilung gehört, muss man erst einmal wissen, was für ein Organ die Bauchspeicheldrüse ist und welche Aufgaben sie im menschlichen Körper hat.


Aufgaben und Funktionen der Bauchspeicheldrüse
In der Fachsprache wird sie Pankreas genannt und ist ein etwa 16 bis 20 Zentimeter langes Oberbauchorgan, versteckt zwischen dem Magen und der Wirbelsäule im Bauchraum und befindet sich hinter dem Bauchfell an einem Nervengeflecht, dem Nervus Plexus. Sie ist ein schwammiges, fast butterähnliches Gewebe, was die Nahtverbindung bei chirurgischen Eingriffen besonders kompliziert macht. Man unterteilt sie in drei Abschnitte: Den Kopf (caput), den Mittelteil (corpus) und den Schwanz (cauda). Im menschlichen Verdauungssystem spielt die Bauchspeicheldrüse eine wichtige Rolle, denn sie produziert am Tag bis zu zwei Liter Verdauungssekret. Ihre Enzyme sorgen dafür, dass Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate aufgespalten und von der Darmschleimhaut gut aufgenommen werden können. Außerdem bildet sie Hormone, die für die Regulierung des Blutzuckerspiegels wichtig sind.

diagnose_bauchspeicheldruesenkrebs2.jpgWodurch entsteht
Bauchspeicheldrüsenkrebs?

Diese Frage kann bis heute nicht abschließend geklärt werden.
Es gibt aber einige Indikatoren, die das Krankheitsrisiko erhöhen können.
Dazu zählen unter anderem eine über lange Zeit bestehende chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung, Übergewicht, eine Diabeteserkrankung vom Typ 2 sowie übermäßiger Alkohol- und Tabakkonsum. Bei Rauchern tritt das Pankreaskarzinom sogar zwei- bis dreimal häufiger auf als bei Nichtrauchern.
Ob auch die Ernährung eine Rolle spielt, ist nicht ganz klar bewiesen, jedoch gibt es auch vererbte Formen dieser Erkrankung. Und zwar dann, wenn zwei oder mehrere Angehörige ersten Grades, zum Beispiel Eltern oder Geschwister, daran erkrankt sind. „Leider wird Pankreaskrebs oft erst zu spät erkannt“, erklärt Prof. Dr. Karel Caca vom Klinikum Ludwigsburg. „Das liegt zum einen daran, dass die Bauchspeicheldrüse für unsere technischen Möglichkeiten aktuell noch sehr schwer zugänglich ist. Außerdem bleiben diese Tumore oft für lange Zeit sehr klein und explodieren dann irgendwann förmlich, so das meist alle medizinische Hilfe zu spät kommt!“

Ist eine Früherkennung möglich?
Die Chancen, Pankreaskrebs frühzeitig zu erkennen, sind sehr gering, da zu Beginn kaum Symptome auftreten. Im fortgeschrittenen Stadium ruft er Beschwerden hervor, von denen viele eher allgemein sind und auch auf andere Krankheiten hindeuten können: Zu nennen wären da zum Beispiel Schmerzen im Oberbauch oder Rücken, körperliche Schwäche, übelriechende Durchfälle, ungewollter Gewichtsverlust, Übelkeit oder Hautjucken.
Leider gibt es bis heute  noch keine zuverlässigen Reihenuntersuchungen wie das Mammographie-Screening für Brustkrebs oder den PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs. Warum das so ist, weiß Prof. Dr. Thomas Schiedeck, ebenfalls am Klinikum Ludwigsburg tätig: „Das Problem ist, das wir Mediziner aktuell keinen Screening-Test für Pankreaskarzinome haben, der so verlässlich ist, dass er möglichst nur bei den Kranken und eben nicht bei den Gesunden anschlägt“, erklärt er.
Obwohl sich Forschung, Diagnostik, Bildgebung, Operationen, Chemotherapien und Behandlungen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, sind die Sterberaten bei Bauchspeicheldrüsenkrebs immer noch erschreckend hoch.
Man kann sagen, dass im Durchschnitt  von 100 Fällen derzeit nur vier geheilt werden können“, erklärt Prof. Dr. Caca. Doch die Forschung arbeitet auf Hochtouren daran, so schnell wie möglich eine Methode zur Früherkennung eines Pankreaskarzinoms zu entwickeln. Bis dahin sollten Betroffene und Angehörige mit der oftmals niederschmetternden Diagnose auf keinen Fall alleine bleiben, sondern sich fachliche und kompetente Hilfe einholen.
Nur ein gut informierter Patient kann verstehen und auch die richtige Entscheidung treffen: Operation ja oder nein? Welche Chemotherapie ist die richtige für mich? Wo gibt es Spezialisten und Zentren?

Wie lässt sich Bauchspeicheldrüsenkrebs behandeln?
In der Regel ist eine Operation die einzige Möglichkeit, ein Pankreaskarzinom zu heilen. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass sich der Krebs vollständig entfernen lässt und noch nicht gestreut hat.
Bei etwa einem von fünf Betroffenen ist so eine Operation möglich. Dabei wird, je nach Lage und Ausdehnung des Krebses, die Bauchspeicheldrüse teilweise oder sogar vollständig entfernt.
Das gilt auch für angrenzende Organe, die oftmals mit befallen sind. Anschließend kann eine Chemotherapie den Krankheitsverlauf verbessern, bzw. die Zeit bis zu einem möglicherweise auftretenden Rezidiv deutlich verlängern. „Bei Vorliegen von Metastasen ist eine Heilung aber nicht mehr möglich.
Hier geht es dann, neben dem Ziel einer möglichst langen Lebenszeitverlängerung, auch wesentlich um eine Erhaltung der Lebensqualität unter der Chemotherapie“, so Prof. Dr. Caca. „Wie lange, weiß natürlich niemand genau, aber aus Erfahrungen kann man von einem Jahr bis zu eineinhalb Jahren ausgehen. Wenn noch eine Operation möglich ist, dann sollte auf jeden Fall operiert werden, denn in der Regel besteht dann eine Chance auf Heilung!“

Ernährung bei Bauchspeicheldrüsenkrebs
Ernährung und Mangelernährung haben beim Krebs der Bauchspeicheldrüse eine sehr große Bedeutung und gehören zu den wichtigsten Themen. Eine ausreichende und ausgewogene Ernährung ist das Fundament einer guten Lebensqualität und hat eine entscheidende Bedeutung bei allen therapeutischen Maßnahmen. Verschiedene Kliniken haben inzwischen den hohen Stellenwert der Ernährung beim Pankreaskarzinom erkannt und bieten den Betroffenen deshalb, egal wie der Ernährungszustand ist, bereits vor der Operation eine parenterale Ernährung über die Vene oder einen Port an. Erste Erfahrungen belegen, dass die Operationen so komplikationsloser ablaufen, die Genesung nach dem Eingriff viel rascher erfolgt und dass Betroffene wieder schneller auf die Beine kommen.

diagnose_bauchspeicheldruesenkrebs3.jpgHilfe für Betroffene und Angehörige
Auf gar keinen Fall sollte nach einer erfolgreichen operativen Entfernung des Tumors, aber auch dann, wenn keine OP erfolgt ist, auf die Nachsorgeuntersuchungen verzichtet werden.Im Fokus steht hier in erster Linie, Krankheits- und Therapiefolgen zu erkennen und zu behandeln. „Insbesondere für Patienten, die nicht operiert werden konnten, ist eine optimale Schmerztherapie sehr wichtig“, rät Prof. Dr. Caca. Auch eine Ernährungsberatung und eine begleitende psychoonkologische Betreuung kann für Betroffene sinnvoll sein. Ebenso wie Selbsthilfegruppen. Eine davon ist TEB e. V. in Ludwigsburg. Seit der Gründung im Jahr 2006 hat sich der Verein zu einer Organisation mit einem gut funktionierenden und breitgefächerten Netzwerk entwickelt, der weltweit agiert.
Die Gründerin und erste Vorsitzende Katharina Stang hat jahrelange Erfahrung im Bereich der Selbsthilfeorganisationen für Bauchspeicheldrüsenpatienten. 1998 erkrankte sie selbst an nekrotisierender Pankreatitis, wochenlang kämpften die Ärzte damals um ihr Leben.  „Völlig hilf- und kraftlos wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich habe damals nach einem Weg gesucht, mit meinem Schicksal fertig zu werden und normal weiterleben zu können“, erzählt sie.
Aus dieser ausweglosen Situation heraus entstand die Idee, eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Bauchspeicheldrüsenerkrankungen zu gründen. „Mein Ziel war es, Betroffene und deren Angehörige eine regelmäßige Anlaufstelle zu bieten, in der man sich untereinander austauschen und helfen kann“, so Stang weiter. In ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, die schon 1999 begann, noch vor Gründung des Vereins, hat sie seither über 30.000 Menschen betreut und wurde dafür im Jahr 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.
Heute zählt der Verein über 720 aktive Mitglieder. Um die Betroffenen und deren Angehörige fachlich, fundiert und kompetent zu unterstützen, sind Katharina Stang und ihr Team, welches aus ehrenamtlichen und bezahlten Mitarbeitern besteht, auf Spenden angewiesen. „Bauchspeicheldrüsenkrebs macht Angst, zerstört Existenzen und grenzt Betroffene und Angehörige aus. Alleine kommt man oftmals aus diesem Teufelskreis nicht mehr heraus“, erklärt Stang. „Damit wir Betroffenen und deren Angehörigen helfen können, brauchen wir dringend finanzielle Unterstützung in jeglicher Form!“ Ein   Unterfangen, was nicht immer ganz einfach ist.
Doch manchmal gibt es auch glückliche Zufälle - so wurde zum Beispiel Anfang des Jahres Kabarettist Christoph Sonntag, der sich selbst seit kurzem in seinem Umfeld mit der Erkrankung Bauchspeicheldrüsenkrebs konfrontiert sieht, auf TEB e.V. aufmerksam. „Diese verdammte Krankheit ist grausam!“, weiß Sonntag. „Sie ist wie ein wildes Tier und wir müssen feststellen, dass wir kaum Chancen haben, aus diesen Fängen und Krallen herauszukommen. Darum ist es sehr wichtig, dass es Leute wie Katharina Stang gibt, die den Betroffenen mit aller Kraft zur Seite stehen. Mir und der Stiphtung Christoph Sonntag war es daher ein großes Anliegen, dem TEB e. V. mit einer Spende finanziell zu helfen.“

Menschlichkeit und medizinische Betreuung
Die Aufgaben und Ziele des Vereins beziehen sich auf eigene Erfahrungen sowie auf fachlichem und fundiertem Wissen rund um die Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse.
„Wir bieten traditionelle Bewältigungsformen von Krankheiten und ergänzen wirksam die professionellen Angebote des Gesundheitswesens. Die hierzu erforderlich spezifischen Fachinformationen zu den einzelnen Bereichen wie Diagnostik, Behandlungen, Therapien sowie die komplexe Nachsorge bekommt jedes Mitglied in die Hand“, so Stang. Eine tägliche Aufgabe, die sie fast rund um die Uhr bewältigt - und das in ganz Deutschland. „Sehr oft stoße ich wirklich an meine Grenzen, bei all dem Leid, Schmerz und der Trauer, die ich jeden Tag erleben muss. Ein Großteil der Menschen mit Pankreaskarzinom, die zu mir kommen, sterben. Somit ist die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs auch immer eine Konfrontation mit der Endlichkeit.“ Und doch gibt es Fortschritte, auch wenn sie aktuell noch klein sind. So kann man mittlerweile feststellen, dass Operationen an der Bauchspeicheldrüse, die immer noch zu den schwersten ihrer Art gehören, enorme Fortschritte gemacht haben. Sie dauern nicht mehr so lange wie noch vor einigen Jahren und sind dazu noch um ein Vielfaches sicherer geworden. Neue Behandlungen und Therapien können heute die Lebenszeit er- höhen und die Lebensqualität erhalten. Leider trifft das nicht bei allen Betroffenen zu, doch es macht Mut, weiter am Ziel Heilung festzuhalten, nicht aufzugeben und auf die sich stets weiterentwickelnde Forschung zu setzen.  Das bekräftigen auch brandaktuelle Studien verschiedener Pharmakonzerne - so könnte künftig bei Patienten mit einem metastasiertem Pankreaskarzinom ein bestimmter Test auf Gen-Veränderungen sinnvoll sein.  Denn erstmalig hat sich jetzt eine entsprechende, genadaptierte Behandlung in einer Studie als klinisch wirksam erwiesen.

Welt-Pankreaskrebstag
Leider ist Bauchspeicheldrüsenkrebs für viele Menschen immer noch ein Tabuthema. Um dieser gesellschaftlichen Verschlossenheit entgegen zu wirken, trafen sich im Jahr 2013 Vertreter verschiedener Organisationen, darunter auch Katharina Stang und die TEB e.V. Selbsthilfe, in Genf, um gemeinsam einen Weg zu finden, die Öffentlichkeit mehr auf die Erkrankung aufmerksam zu machen. Es wurde ein internationaler Arbeitskreis gegründet, der damals den Welt-Pankreaskrebstag ins Leben rief. Dieser fand daraufhin erstmalig am 13. November 2014 statt, auch bei uns in Deutschland. „Das erklärte Ziel dieser Veranstaltung ist es, die Menschen mit Vorträgen und persönlichen Beratungsgesprächen für das Thema zu sensibilisieren“, erklärt Stang. Und so erstrahlen jedes Jahr im November weltweit verschiedene Gebäude und Sehenswürdigkeiten in lila, der Farbe des Welt-Pankreaskrebstages: Vom Ludwigsburger Residenzschloss, den Sioux Falls in South Dakota bis zur St. Michael Kirche in Schwäbisch Hall, den Niagarafällen, der Esslinger Burg oder dem Heidelberger Schloss.
Und auch in diesem Jahr wurde am 21. November wieder der Welt-Pankreaskrebstag veranstaltet. „Ich gebe nicht auf“, verspricht Katharina Stang, „und werde unermüdlich weiter kämpfen, damit diese Krankheit künftig ihren Schrecken verliert und wir irgendwann sagen können: Bauchspeicheldrüsenkrebs ist heilbar!“