Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs, wie geht es weiter?

Diese Frage stellen sich am Anfang der Diagnose sehr viele Betroffene und deren Angehörige. Bei allen steht mit der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs das gesamte Leben auf dem Kopf, oftmals verstehen sie gar nicht richtig, um was es eigentlich geht. Sie spüren, dass von dieser Erkrankung irgendwie eine wahnsinnige Bedrohung für sie und ihre Familie ausgeht. Oftmals sind es zuerst die Angehörigen, die verzweifelt nach Informationen, Hilfe und Unterstützung suchen. Dabei schauen sie auch im Internet und dort finden sie unter anderem TEB e. V.

Und so kommt es, dass viele Betroffene und Angehörige den Weg zu TEB finden. In den meisten Fällen haben sich Betroffene oder Angehörige auf unserer Internetseite informiert und wissen in der Regel, mit wem sie es zu tun haben.

Beim ersten Kontakt mit unseren Mitarbeitern in der Geschäftsstelle zeigt sich, dass Betroffene oder ihre Angehörigen viele Fragen, Probleme und Sorgen haben, die sie los werden wollen. Sie suchen Menschen, die ihnen zuhören und vielleicht den einen oder anderen Tipp haben, wie man mit der Erkrankung leben kann. Oftmals entscheiden unsere Mitarbeiter spontan, wie dringend es ist und wie schnell ein Beratungstermin zustande kommt.

Nicht immer ist es möglich, dass Hilfesuchende sofort und direkt beraten werden können. Aus diesem Grund schreiben die Mitarbeiter die Telefonnummer auf und wir rufen in der Regel zeitnah zurück. Wir versuchen, dass kein Anrufer länger als 24 Stunden auf einen Rückruf warten muss.

Viele Betroffene kommen mit ihren Angehörigen zu einem persönlichen Beratungsgespräch, bei dem sie weder Zeit noch weite Wege scheuen. Und wir hören zu und geben diesen Betroffenen die Zeit und den Raum, um sich zu öffnen. Es ist immer besser, als erstes ein persönliches Beratungsgespräch zu führen, denn dabei sehe ich den Betroffenen vor mir und kann mir ein eigenes Bild von seinem augenblicklichen Zustand machen. Das ist oftmals sehr, sehr wichtig. Jedes Beratungsgespräch ist anders und muss individuell geführt werden. Dass hierbei ein ungeheures Fingerspitzengefühl das A und O ist, dürfte allen klar sein. Sehr oft muss man erst einmal die Angst vor der Beratung nehmen, denn auch hier haben Betroffene und Angehörige unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse.

Nicht immer kann man auf den ersten Blick erkennen, was in diesem Menschen, der gerade vor einem sitzt, vorgeht, welche Ängste, Sorgen oder Nöte ihn plagen. Beim Betroffenen kommt ein Gefühl der Unsicherheit auf, was kommt jetzt auf mich zu und was erwartet mich bei dem Gespräch? Was kann die Selbsthilfe und wie kann sie mir helfen? Wer ist diese Frau und kann ich ihr vertrauen?

Um dies alles zu erfassen und richtig einordnen zu können, braucht es Zeit und Ruhe. Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Angehörigen erst einmal ankommen, vertrauen schöpfen und sich dann eventuell öffnen. Meine einfache Frage: „Wie geht es Ihnen im Moment und wie fühlen Sie sich jetzt?“ verwirrt sie oftmals und lässt sie zugleich aufhorchen. Eine häufige Antwort ist: „Ach, ich fühle mich im Moment sehr aufgeregt, ich weiß nicht, was mich hier bei Ihnen erwartet. Außerdem weiß ich nicht, wo und wie ich anfangen soll.“ Ganz ruhig antworte ich: „Ich weiß es auch nicht so richtig, lassen Sie es uns gemeinsam herausfinden.“ Plötzlich ist das Eis gebrochen, ich spüre, dass Betroffene und ihre Angehörigen plötzlich auftauen und sich ganz von alleine öffnen. Gezielt kann ich meine Fragen stellen, die oftmals auch sehr intim sein können. Um richtig und ausführlich zu beraten, brauche ich Antworten zu Themen wie z. B. Gewicht, Verdauung, Enzyme, Alltag.

Betroffene oder ihre Angehörigen merken sehr schnell, dass ich mich im Bereich Bauchspeicheldrüsenerkrankung, insbesondere Bauchspeicheldrüsenkrebs, sehr gut auskenne und ich die Beratungen überaus fachlich führe. Sehr oft kommt die Frage, ob ich Ärztin sei oder woher ich mein Wissen habe. Wahrheitsgetreu erzähle ich, wie es dazu kam, dass ich heute hier sitze und diese Beratungen durchführen kann und dass mir unser wissenschaftlicher Beirat sehr geholfen hat, dass ich zu der erfahrenen Kompetenz das Fachwissen erlangte.

Wenn alle Fragen von beiden Seiten beantwortet sind, kann die eigentliche Beratung beginnen. Leider stelle ich immer öfters fest, dass Betroffene und deren Angehörige nicht gut aufgeklärt sind und dass sie sehr oft ihre persönlichen Fragen von ihrem behandelnden Arzt nicht beantwortet bekommen. Sie fühlen sich total alleine gelassen. Damit man versteht, mit welchen Problemen, Sorgen und Nöten ich in meinen Beratungen konfrontiert werde, hier zwei Beispiele aus den letzten Beratungen.

Unterernährung:
Ein Betroffener und sein Angehöriger kamen das erste Mal zu mir in die Beratung. Schon beim Eintreten in unsere Geschäftsstelle sahen meine Mitarbeiter und ich, dass es dem Betroffenen nicht gut ging. Sein Gang war sehr wackelig und unsicher. Ja, ich hatte Angst, dass er gleich umfällt. Besorgt fragte ich: „Geht es Ihnen im Augenblick nicht gut? Haben Sie Unterzuckerung?“ Er antwortete: „Nein, ich komme zu Ihnen, weil es mir so schlecht geht.“ Ich hatte sofort ein furchtbar ungutes Gefühl. Zaghaft fragte ich: „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich kann nichts mehr essen, habe Durchfall ohne Ende und fühle mich sehr, sehr schwach. Ich habe 24 Kilo in zwei Monaten abgenommen.“ Ich war entsetzt! „Wann waren Sie bei Ihrem behandelnden Arzt? Haben Sie ihm von Ihrem Gewichtsverlust erzählt und was meinte er dazu?“
„Seine Empfehlung war: Essen Sie, was Sie wollen und können.“
Auf meine nächste Frage, ob er Chemo bekomme, antwortete er: „Ja, aber ich kann die Nebenwirkungen kaum noch aushalten und beim letzten Mal war man nicht sicher, ob ich wieder eine bekommen kann, die Blutwerte sind so schlecht.“ Ich wusste, hier muss schnell etwas passieren, damit man dem Mann irgendwie helfen kann. Ich überlegte und fragte ihn, ob ich mich mit seiner Hausärztin in Verbindung setzen dürfe. Er war einverstanden und meine Mitarbeiter stellten mir eine Verbindung mit der Praxis her. Kurz schilderte ich der freundlichen Sprechstundenhelferin, um was es geht, dann stellte sie mich zur Ärztin durch. Ich schilderte ihr, wie ihr Patient vor mir sitzt und dass ich der Meinung bin, dass er sofort ins Krankenhaus solle, in dem er vor wenigen Monaten operiert wurde. „Ich bin auch Ihrer Meinung, der Betroffene braucht schnell Hilfe und eventuell auch eine parenterale Ernährung“, sagte die Ärztin. „Ich schicke Ihnen per Fax eine Einweisung.“
„Okay, ich werde versuchen, dass der Betroffene Hilfe bekommt und er zu seinem Chirurgen kommt, vielleicht kann der ihm schneller helfen.“ „Das wird nicht so leicht gehen,“ meinte sie, „er geht doch immer wieder zur Kontrolle in die Klinik, passieren tut aber nichts.“
„Ich verspreche Ihnen, dass ich alle Hebel in Bewegung setzen werde, um diesem Betroffenen zu helfen.“ Leider funktionierte unser Faxgerät an diesem Tag nicht, so dass der Betroffene zu ihr in die Praxis musste. Nach dem Gespräch rief ich im Krankenhaus an und verlangte den Chirurgen, den ich zufällig auch noch gut kenne. Leider war er im OP. So vereinbarte ich mit seiner Sekretärin, dass ich den Betroffenen sofort in die Notaufnahme schicke und darum bitte, dass er seinem Chirurgen vorgestellt wird. Gesagt, getan, der Betroffene ging auf direktem Wege in die Notaufnahme, hier war man leider für diesen Fall nicht zuständig, da es darum ging, dass er an massiver Unterernährung und Durchfall litt. Er wurde notfallmäßig nicht aufgenommen. Eine Schwester hatte das gehört, vielleicht war mein Anruf bis zu ihr durchgedrungen, jedenfalls ging sie zusammen mit dem Betroffenen zu seinem Chirurgen und dann ging alles sehr schnell. Er wurde angeschaut und bekam ganz schnell einen Termin für einen Port, damit die parenterale Ernährung schnell eingesetzt werden konnte. Zwei Tage später bekam ich eine Email vom Angehörigen, in der er sich für die schnelle Hilfe und Unterstützung bedankte. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Hilfe rechtzeitig kam, und er durch die parenterale Ernährung wieder zu Kräften kommt und damit seine Lebensqualität zunimmt.

Mir ist durchaus bekannt, dass es ein zweischneidiges Schwert ist, wenn man den rechtzeitigen Zeitpunkt der parenteralen Ernährung verpasst. Doch das ist nicht meine Aufgabe und Entscheidung, ich habe getan, was ich für notwendig hielt und habe den Betroffenen in die Obhut der Ärzte gegeben. Die einzige Frage, die ich mir stelle, ist, warum man das nicht früher erkannt hat. Warum hat man erst reagiert, nachdem ich darauf aufmerksam machte?

Zweiter Fall:
Eine Angehörige kam, suchte Hilfe und Zuspruch. Ich spürte sofort, dass hier jemand sitzt, der völlig am Ende, traurig und ohne Perspektive war. Es war durch das unaufhörliche Weinen kaum ein Gespräch möglich. Nach wenigen Sätzen wusste ich, hier ist eine Angehörige, die mit der Pflege total überfordert ist und kurz vor einem körperlichen und psychischen Zusammenbruch stand. Noch immer höre ich ihre Worte: „Ich kann kochen was ich will, es wird nichts mehr gegessen. Der zunehmende Zerfall, die ständige Gewichtsabnahme, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall setzen jedem in der Familie zu. Die ständigen starken Schmerzen, das Desinteresse an allem, was einmal wichtig war, die totale Veränderung des Wesens, machen mich fix und fertig. Ich kann nicht mehr. Ich würde alles machen, wenn es der Partner annehmen würde. Ich habe das Gefühl, er will nicht mehr kämpfen, und ich habe Angst, versagt zu haben.“
„Nein, versagt haben Sie nicht. Betroffene dürfen entscheiden, ob sie noch kämpfen wollen oder nicht. Ja, man muss den Wunsch der Betroffenen respektieren und das tut einfach weh. Das Loslassen ist mit das schwerste. Eins ist aber sehr, sehr wichtig, Schmerzen sollten nicht sein. Heute hat man Möglichkeiten, diese zu reduzieren, sodass sie vielleicht erträglich werden.“ Diese Angehörige braucht dringend Hilfe und Unterstützung, ansonsten wird sie in absehbarer Zeit auch krank werden. Behutsam fragte ich: „Haben Sie psychologische Hilfe? Wer hilft überhaupt?“
„Nein, ich bekomme keinen Termin für einen Psychologen, Freunde und Bekannte kommen nicht mehr so oft und unser Kind steckt in einem neuen Arbeitsverhältnis, kommt aber so oft es geht.“ Wie konnte ich hier helfen? Ich nahm mir viel Zeit, tröstete dort, wo ich konnte und nahm sie einfach in den Arm und ließ sie weinen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie allmählich ruhiger wurde. Nun versuchte ich, ihr Möglichkeiten bei TEB aufzuzeigen, die ihr helfen können. Ich lud sie in unsere Angehörigengruppe ein und versprach, dass sie anrufen darf, wenn es ihr schlecht geht. Sie schaute mich an und meinte: „Sie haben mir sehr, sehr geholfen, vielen Dank!“ Danach musste sie gehen, denn zu Hause wurde sie bereits wieder erwartet.

Das waren nur zwei Fälle, von denen ich hier berichte, jeden Tag kommen neue Schicksale hinzu. Immer wieder ist es das gleiche, Betroffene und Angehörige fühlen sich in unserem Gesundheitssystem nicht mehr gut versorgt und aufgehoben. Viele sagen, es stehen die Kosten und nicht der Mensch im Mittelpunkt. Bei TEB Selbsthilfe ist es anders: Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Probieren sie es aus!

Katharina Stang