Gruppentreffen am 6.9.2017 in Darmstadt
Beim Treffen der Gruppe Rhein-Main in Darmstadt war eine Journalistin des „Darmstädter Echo“ anwesend und nahm sich die Zeit, Verlauf und Inhalt des Treffens zu verfolgen. Die Gruppenmitglieder hatten, da es ja zum Teil um höchstpersönliche Informationen ging, zuvor ihr Einverständnis gegeben. Im Ergebnis ihrer Anwesenheit entstand ein sehr ausführlicher Bericht, den die Zeitung veröffentlichte (Link Bericht im Darmstädter ECHO: Katharina Stang hat ein Netzwerk für Patienten mit Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse aufgebaut)..
Diese Veröffentlichung war Anlass dafür, dass eine grosse Anzahl von neuen Interessierten - Betroffene und Angehörige - zu unserer offenen Veranstaltung erschienen. Schon vor Beginn der Zusammenkunft waren alle vorbereiteten Plätze belegt, weshalb wir noch weitere Sitzmöglichkeiten schaffen mussten.
Noch mitten in der Überlegung, wie ich den Ablauf des Treffens mit so vielen neuen Teilnehmern gestalten könnte, wie ich jedem gerecht werden könnte und was ich tun müsste, damit dieser Nachmittag für alle eine Bereicherung wird, klopfte es an der Tür und Herr Prof. Schimanski stand freundlich und gut gelaunt vor mir. Jetzt wusste ich, es kann nichts schief gehen, er würde mich unterstützen. „Großzügig“ bot ich ihm an, die Führung der Aussprache in der Gruppe zu übernehmen, in der Annahme, er würde nicht bis zum Schluss bleiben können. Seine Antwort war: “Nein, machen Sie Ihre Gruppe wie immer, ich habe nicht vor, zu gehen.“ Dann sah er den Zeitungsbericht auf dem Tisch liegen, den ein Mitglied mitgebracht, nahm ihn in die Hand, hielt ihn hoch und sagte:“ Frau Stang, das ist ganz alleine Ihr Verdienst. Sie haben sich dies alles erarbeitet und wir, die Klinik und ganz besonders ich sind erfreut, dass Sie hier mit einer so aktiven Gruppe tätig sind."
Dann sprachen wir darüber, wie sich die Gruppe entwickelt hat und so manches Gruppenmitglied sagte:“ Was wären wir ohne Katharina?" Das Lob machte mich sehr stolz. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Professor der Arbeit einer Selbsthilfegruppe solche Anerkennung zollt.
Dann begann ich mit der Gruppenarbeit, um keine Zeit zu verlieren. Zuerst erklärte ich die Regeln der Gruppe, warum wir Bilder machen und was damit passiert. Dazu sind wir rechtlich angehalten, um die Persönlichkeitsrechte der einzelnen Mitglieder zu schützen, denn nicht jeder möchte Fotos veröffentlicht sehen, auf denen er erkennbar ist. Ich erklärte auch, dass die in der Veranstaltung vorgetragenen individuellen Probleme nicht in die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Nachdem das geklärt war, konnte ich beginnen.
Was ist los in der Gruppe? Wer hat welche Sorgen, Probleme? Wer hat welche Fragen? Um dies heraus zu finden, begann ich die Begrüßungsrunde mit drei Fragen an die Teilnehmer: Wie heißt Du? Welche Erkrankung oder Fragen hast Du? Was erwartest Du von der Gruppe?
Jeder stellte sich kurz vor, schilderte seine Erkrankung oder sein Anliegen und fast alle hatten die Erwartung, dass sie in der Gruppe Antworten auf Ihre Fragen bekommen und sie sich untereinander austauschen können, um von den Erfahrungen und Erkenntnissen der anderen Anwesenden lernen zu können.
Wir hörten eine Menge Fragen, Sorgen, Nöte, Ängste, Unsicherheiten und auch eine Unzufriedenheit. Viele Themen kristallisierten sich heraus wie z. B. Ernährung, Enzyme, Schmerzen, Chemo, Behandlungen Endphase u. v .m.
Jetzt lag es an mir, die Gruppe so zu gestalten, dass alle zufrieden nach Hause gehen konnten. Ich entschied mich, zu Anfang die Kenntnisse der Einzelnen über Anatomie und Funktion der Bauchspeicheldrüse in Erfahrung zu bringen. Hier spürte ich sehr schnell, dass viele nicht wissen, welche Funktion der Kopf, Körper und Schwanz der Drüse hat. Da wir heute einen ausgezeichneten Mediziner an Bord hatten, bat ich ihn, dies zu erklären. Mit allgemein verständlichen Ausführungen kam Herr Prof. Schimanski dieser Bitte nach.
Den nächsten großen Komplex, Zusammenhänge zwischen Ernährung, Enzymen, Gewicht und Verdauung, übernahm ich, denn das ist fast in jeder Veranstaltung das Thema Nr. 1. Leider wurde auch hier deutlich, dass die Enzyme falsch oder in zu geringer Menge eingenommen werden und dass Betroffene nicht verstehen oder ausreichend erklärt bekommen, warum man sie zu jeder Mahlzeit nehmen soll. Wie sagte ein Betroffener: "Im Krankenhaus bekam ich zu jeder Mahlzeit zwei Kapseln, ich wusste nichts über das Medikament und auch nicht, was die Kapsel beinhaltete und welche Wirkung der Inhalt haben würde. Auf meine Frage, wie soll ich sie nehmen, bekam ich eine unzureichende Antwort."
Dann kamen wir zum Thema Chemotherapien. Auch hier kam die Frage aus dem Kreis der Teilnehmer: “Wie lange muss ich noch Chemo nehmen? Wie lange setze ich meinem Körper das „Gift“ zu? Warum lässt man zu, dass die Industrie zu wenig tut und alles so unverschämt teuer ist?" Er sprach weiter: "Welche Bedeutung hat Methadon? Was kann ich selber tun? Was kann ich tun, dass mehr für die Forschung getan wird? Alle spürten Unzufriedenheit, Frustration, Angst und Hoffnungslosigkeit bei diesem Betroffenen. Herr Professor Schimanski und auch ich versuchten, seine Fragen zu beantworten, indem man ihm erklärte, dass man noch keine Studie über Methadon hat, es aber noch eine breite Palette an Chemos gibt und dass Studien sehr teuer sind. Mir war wichtig auf die Lebensqualität hinzuweisen. Diese zu erhalten muss das wichtigste Ziel einer jeden Therapie sein. Jeder kann selber etwas tun wie z. B. gut Essen und Trinken, sich bewegen, Ziele setzen, Begegnungen mit Familie, Freunde und Bekannte. Nicht jeden Tag sich selbst den Spiegel der Erkrankung vorhalten.
Viele Fragen und Themen konnten Herr Professor Schimanski und ich beantworten und dabei verging die Zeit wie im Flug. Leider kam ich auf Grund der vielen fachlichen Fragen nicht zu dem Themenkomplex der letzten Lebensphase und der Endlichkeit des Lebens und möglicher Hilfe in dieser Zeit. Deshalb waren zwei Teilnehmer traurig und gingen vorzeitig aus der Gruppe, da sie aus persönlichen Gründen sich gerade hierzu Hinweise erhofft hatten. Aus Erfahrung weiß ich, dass man sehr, sehr vorsichtig und behutsam sein muss, wenn man solche Themen anspricht und die Gruppe mit einbezieht. Ganz sicher ist die Erörterung dieser Frage zu Beginn einer Gruppenveranstaltung und wenn Betroffene erstmalig diese Gruppe besuchen, nicht der richtige Zeitpunkt.
Wieder war es ein sehr anstrengender, interessanter, jedoch für alle lehrreicher Nachmittag. So mancher wollte nicht nach Hause und wir standen noch eine Weile zusammen und redeten über dies und das. Für mich persönlich, und das kam auch in vielen Bemerkungen der Teilnehmer zum Ausdruck, war die Erkenntnis wichtig, dass ich auf Grund meiner langjährigen Tätigkeit als Gruppenleiterin über sehr viele Erfahrungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen aus dem täglichen Umgang mit der Krankheit verfüge, die ich immer wieder in die Problemdiskussion einfliessen lassen kann.
So gegen 19:15 Uhr machten wir uns endlich auf den Weg nach Hause, gegen 21:00 Uhr kamen wir in Ludwigsburg an.
Einen ganz herzlichen Dank an Herrn Professor Schimanski und Herrn Klaus Bibow für die fachliche und menschliche Unterstützung und für die gute Fahrt nach Darmstadt und zurück.
Katharina Stang