Gruppentreffen Lauter Fils, Thema: Chemotherapie
Gruppe Lauter Fils
Thema: Chemotherapie
10. Februar 2010
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Am Mittwoch, den 10.02.2010, war es wieder soweit. Die Gruppe Lauter Fils traf sich zu einem Gruppennachmittag. Nachdem ich selbst wegen Krankheit und der schlechten Wetterlage die Gruppe in der Vergangenheit nicht besuchen konnte, wurde ich schon mit Spannung erwartet.
Lauter Fils ist eine besondere Gruppe. Hier wird die Gemeinschaft wirklich gelebt. Einer ist für den anderen da und versucht, ihn zu stärken oder zu motivieren. Hier ist keiner alleine. Gruppenmitglieder, die aus verschiedenen Gründen nicht kommen können, werden angerufen, besucht und ermuntert, dass das Leben auch in einer schwierigen Phase noch schöne Zeiten bietet.
Bereits beim Eintreffen erwartete mich eine besondere Überraschung. Unsere A., das jüngste Mitglied, wurde vor zwei Wochen Mama und präsentierte uns voller Stolz ihr Baby. Alle waren von der süßen Maus begeistert. Sie aber schlief und ließ sich nicht stören. Zaghaft fragte ich: „Darf ich bitte die kleine E. auf den Arm nehmen“? Ja, Du darfst, war die Antwort. Also nahm ich die schlafende E. auf den Arm. Ich konnte es kaum glauben. Sie wurde wach und lachte mich an.
Sofort wurde in der Gruppe gelästert. Katharina, wer mag Dich nicht? Sogar die Kleinsten lachen, wenn Sie Dich sehen. Am liebsten hätte ich mich nur mit E. beschäftigt und alles andere vergessen. Doch es waren einige schwierige Themen innerhalb der Gruppe zu besprechen. Deshalb zogen wir es vor, unserer jungen Mutter alles Gute zu wünschen und ihr ein Geschenk der Gruppe zu überreichen. Sie bedankte sich und sagte, sie ist der Gruppe und besonders mir sehr dankbar. Jetzt hat sie wieder Lebensmut und Lebenskraft.
Dass sie dies mir und der Gruppe verdankt, spürte und fühlte jeder sehr genau. Wer hätte das gedacht, dass sie nach einem langen Leidensweg ohne jegliche Perspektive wieder ein so fröhlicher Mensch werden würde. Durch meine jahrelange Erfahrung konnte ich ihr helfen und ihr Wege aufzeigen, wo und wie sie Hilfe findet. Für mich ist A. etwas Besonderes. Durch sie erhielt ich die Bestätigung, wie wichtig meine Arbeit ist. Durch meine Erfahrung und Kompetenz sehe ich Sachen, die selbst für Ärzte im ersten Moment manchmal nicht so wichtig erscheinen. Hier hatte eine kleine Ursache eine große Wirkung.
Wie soll ich jetzt wieder den Übergang finden? Wie immer, eignet sich hierzu eine Kaffeepause. Der selbstgebackene Kuchen von R. war wieder einmal ein Genuss
und rundete das Ganze ab.
Gestärkt begannen wir mit dem zweiten Teil des Nachmittags. Viele unserer Teilnehmer hatten durch ihren Gesundheitszustand Sorgen, Ängste und Fragen. Bei vielen drückt der Schuh ganz besonders, denn sie sollen in wenigen Tagen eine wichtige Entscheidung treffen, wissen aber nicht recht, um was es eigentlich geht.
Chemotherapie war das große Thema. Es war vielleicht ein Wink des Schicksals, dass ich einen Tag vorher zu diesem Thema einen Vortrag besuchte. Vieles hatte ich noch im Kopf, was hierzu gesagt wurde und manches konnte ich anhand meiner schriftlichen Aufzeichnung gut erklären. Dabei stellte ich wieder einmal fest, dass das Wort „Chemotherapie“ unendlich Angst macht. Ich versuchte zu erklären, was für ein Sinn hinter einer Chemotherapie steckt. Damit eine Wirkung durch diese Behandlung eventuell gewährleistet ist, müssen Patienten Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Dabei wies ich darauf hin, dass bei lästigen Begleiterscheinungen heute viel getan werden kann.
Was ist Chemotherapie? Wie wirkt Chemotherapie? Wie wird sie verabreicht? Was für Kombinationsmöglichkeiten gibt es? Und vieles mehr waren die Fragen der Betroffenen. Viele Fragen konnte ich beantworten. Damit versuchte ich auch die Angst vor einer Chemotherapie zu nehmen. Leider mussten wir feststellen, dass Betroffenen und deren Angehörige nicht die nötige Zeit beim Arzt eingeräumt wird, die sie unbedingt bräuchten. Die Gruppe und ich waren der Meinung, hier könnte man im Vorfeld sehr viel Angst und Schrecken abfedern.
Nachdem alle Fragen geklärt waren, wollte ich ein Feedback über den Nachmittag. Es war tatsächlich so, dass ich den Betroffenen die große Angst vor einer Chemotherapie nehmen konnte. Mein Vorschlag wurde aufgegriffen, dass die Betroffenen sich nochmals mit ihrem behandelnden Onkologen über die Chancen und Risiken einer Chemotherapie unterhalten sollten, um in Ruhe eine Entscheidung zu treffen.
Es wurde sehr gut aufgenommen, dass ich die verschiedenen Nebenwirkungen (die auftreten können) erklären konnte und Wege aufgezeigt habe, wie man diese eventuell verhindern oder mildern kann. Eine Chemotherapie bietet die Chance, die Lebenszeit zu verlängern, Nebenwirkungen sind da und auch erwünscht. Wichtig ist, dass die Lebensqualität an oberster Stelle steht und jeder das Recht hat, seine Entscheidung jederzeit zu ändern. Dabei ist für jeden die Frage wichtig: „Was will ich? Was will ich erreichen? Und was bin ich bereit zu geben“? Hierbei sollte der Partner und die Familie unbedingt mit einbezogen werden.
Ich kann nur ein Lotse sein, Entscheidungen muss der Betroffene mit der Familie und immer mit einem Arzt gemeinsam treffen.
Nach Beendigung der Gruppe brauchte ich ein paar Minuten Ruhe, denn es war ein anstrengender Nachmittag. Obwohl das Thema sehr schwierig ist, habe ich den Eindruck, den Betroffenen und ihren Angehörigen helfen zu können und sie vielleicht zu ermutigen, es wenigstens mit der Standarttherapie zu versuchen.
Wir standen noch lange zusammen und diskutierten. Immer wieder wurde mir gedankt, dass ich das Thema Chemotherapie so ausführlich erklären konnte.
Während der Heimfahrt gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Dabei stellte ich mir die Frage, was wäre für mich wichtig, wenn ich betroffen wäre. Mir wäre es sehr wichtig, dass ich genau über die Chancen und Risiken informiert würde. Die nötige Zeit bei den Ärzten zur Aufklärung meiner Situation würde ich einfordern. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte ich mir vorstellen, dass ich mich auf jeden Fall für die Standarttherapie entscheiden würde, allerdings würde ich meine Lebensqualität an oberste Stelle stellen. Ich verstehe unter Lebensqualität: Essen und Trinken, Mobilität und Schmerzfreiheit.
Wie ich wirklich reagieren würde, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, es macht einen großen Unterschied, ob ich von Krebs spreche oder ob ich die Diagnose Krebs habe.
Katharina Stang