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Gruppentreffen Regionalgruppe Mittlerer Neckar am 24.02.2015

Bereits um 14 Uhr kamen die ersten Gruppenmitglieder. Die Freude war bei einigen groß, als sie den einen oder anderen heute wieder sahen.

Nach Kaffee und Kuchen eröffnete ich pünktlich um 14:30 Uhr die Gruppe. Bevor ich nachfragen konnte, welche Themen heute wichtig seien, meldeten sich einige sofort zu Wort: Ich bin heute gekommen, weil ich nicht mehr kann, was soll ich tun? Ich schaffe es einfach nicht mehr!

Alle Anwesenden spürten, hier ist dringend Hilfe angesagt und wir müssen zuhören. "Katharina, auch ich brauche dringend Hilfe, Rat und Unterstützung", so ein weiterer Betroffener! Wo soll ich anfangen, bei welchem Betroffenen ist die Not am größten und wie kann ich jedem heute Nachmittag gerecht werden? Wo brennt es? Wo drückt der Schuh? Was ist passiert? Wie können wir helfen?

Mehrere Betroffene berichten von ihren Erlebnissen, Erfahrungen in den letzten Wochen und Tagen. Wir alle spürten dabei den ungeheuren Druck, der auf den Betroffenen lastete. Traurig, mutlos und hilflos saßen sie da, ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Behutsam und ganz ruhig sagte ich: “Lasst Euch Zeit und beruhigt Euch erst einmal“.

Dann wandte ich mich einem neuen Mitglied zu und fragte: “Warum sind Sie heute gekommen? Wodurch sind Sie auf uns aufmerksam geworden?“ Dieses Mitglied entgegnete, den Hinweis von einer Freundin erhalten zu haben, dann unsere Homepage besucht und sich ausführlich über die Arbeit von TEB e. V. informiert zu haben und darauf hin zur Gruppe erschienen zu sein. "Ich kann auch nicht verstehen und begreifen, dass bei mir durch Zufall ein Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt wurde. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen." Wenige Tage später sei eine Operation vorgeschlagen und in Aussicht gestellt worden, dass danach eine Heilung eintreten könnte. Das Mitglied stimmte der OP sofort zu. Leider verlief die OP nicht wie gewünscht. Der Tumor war zu groß, er hatte sich bereits um die Hauptvene geschlungen. "Wir konnten ihn nicht entfernen", so lautete die Erklärung des Chirurgen am Tag danach. Der Betroffene beschrieb das momentane Gefühl nach der dieser Mitteilung, als würde ihm jemand die Luft zum Atmen nehmen und er würde in ein tiefes Loch fallen. Das war noch nicht alles. Es folgten weitere schlechte Nachrichten. Es hatte sich außerdem herausgestellt, dass sich bereits zwei große und mehrere kleine Lebermetastasen gebildet hatten. Es sollte im Tumorbord besprochen werden, welche weitere Behandlung erfolgen soll. Der Vorschlag war eine leichte Chemotherapie mit zwei Zyklen. Heute war ich bei meinem Onkologen, der meinte:“ Sie brauchen eine starke Chemo und vor allem ist es mit zwei Zyklen nicht getan." Diese Aussage hatte mich getroffen. Ich fühle mich total überfordert und kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das so will.

"Katharina, genauso war es bei mir", erklärte ein weiteres Mitglied. "Ich habe erst durch Dich erfahren, dass ich mehr als 2 Zyklen bekomme. Erst als Du mich zu meinem behandelnden Arzt begleitet hattest, konnten wir über alles offen reden. Wäre das gleich passiert, hätte ich mir eine weitere Enttäuschung erspart. Auch ich brauche mehrere Zyklen!"

Sehr genau erklärte ich die Chemotherapie und ihre Wirkungsweise und dass durch die Chemotherapie die Lebenszeit verlängert werden kann. Allerdings gibt es keine Chemotherapie ohne Nebenwirkungen.

"Ja, und was mache ich, Katharina?", fragte mich der nächste Betroffene. "Ich habe furchtbare Angst, mein Tumormarker steigt und steigt, das CT zeigte eine deutliche Vergrößerung des Tumors und auf der Leber sind jetzt noch einige Metastasen zu sehen. Ich kann nicht mehr! Ich will auch keine Chemo mehr, ich hatte alle Nebenwirkungen, die man sich nur denken kann, selbst Gemcitabin brachte mich fast um."

Was dieses Mitglied uns in der Gruppe erzählte war traurig und wir spürten die Angst vor der Zukunft.

Ein anderer Teilnehmer meldete sich zu Wort: "Katharina, ich kann nicht verstehen, warum unbedingt eine Leberpunktion gemacht werden soll, wenn doch bekannt ist, dass ich bereits viele Lebermetastasen habe? Ich habe die Punktion und weitere Chemos abgelehnt, mir ging es während der Chemo Hunde elend. Seit der Ablehnung ist mein behandelnder Arzt sehr schroff und abweisend zu mir, so ist mein Gefühl." Dieser Teilnehmer kämpfte sichtlich mit Gefühlen und wir ließen es zu. Ich erklärte einige Möglichkeiten um das Problem zu lösen. Damit war der Betroffene einverstanden und wurde auch zunehmend ruhiger und entspannter.

Einige der Betroffenen beklagten sich, dass es in den Kliniken teilweise sehr kalt und unpersönlich zugeht. Die Hygiene und das Essen ließen oftmals zu wünschen übrig und die Ärzte und das Pflegepersonal stoßen häufig an ihre Grenzen. Betroffene fühlen sich teilweise nicht gut behandelt und versorgt.

Es wurde weiter berichtet: "... innerhalb von einer Woche bin ich viermal verlegt worden. Während dieser Zeit habe ich alles Mögliche erlebt. Ich wurde kränker und kränker, ich war einem Nervenzusammenbruch nahe. Nachts habe ich mich selber entlassen!"

Viele stimmten dieser Schilderung zu und bestätigten solche Vorfälle auch für ihre Klinikaufenthalte. Ich bin der Meinung, dies darf man nicht nur den Ärzten und Pflegepersonal anlasten, diese tun alles was in ihrer Macht steht, dass es den Betroffenen gut geht. Ärzte stehen unter einen enormen Kostendruck, sie müssen wirtschaftlich und effizient arbeiten.

Doch bei aller Kritik, gibt es auch positives zu berichten und das versuchte ich an diesem Nachmittag auch zu vermitteln. Ich bin der Meinung, wir haben zurzeit noch ein gutes Gesundheitssystem. Die medizinische Versorgung ist gut, gegenüber anderen Ländern. Hier ist die Politik gefordert, dass es auch dabei bleibt. Schon die Veränderung mit der Fallpauschale zeigt deutlich, wie schnell etwas für die Betroffenen ins Negative ausarten kann.

Nach so einem emotionalen Nachmittag, war es an der Zeit, zum Schluss zu gelangen und deshalb fragte ich in die Runde: "Sind all Eure Fragen beantwortet?" Es gab einen kräftigen Applaus und dann kam von jedem Einzelnen eine persönliche Rückmeldung:
"Die Gruppe hat mir geholfen. Sie war informativ; ich habe einiges gelernt; ich bin wieder ruhiger; ich kann jetzt einiges besser verstehen. Die Gruppe tut mir einfach gut. Katharina, Du hast alles prima erklärt und uns neuen Mut und Kraft gegeben. Wir sind dankbar, dass wir hier über alles reden können und dürfen. Wo können wir sonst mit unsere Angst, Trauer und Wut hin? Doch nur hier in der Gruppe!"

Um 17:00 Uhr beendete ich die Gruppe. Einige jedoch wollten nicht nach Hause gehen, sie blieben sitzen und unterhielten sich über dies und das und immer wieder lachten und herzten sie miteinander. Die Letzten verließen mit mir und meinem Mann so gegen 19:15 Uhr die Geschäftsstelle. Sie brauchten einfach das Gespräch danach.

Katharina Stang