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Bericht über das Gruppentreffen der RG Nördlicher Schwarzwald

Ort: Kreiskrankenhaus Nagold
Tag: 12. Januar 2015

Das erste Gruppentreffen des neuen Jahres war angesagt. Bereits während der Fahrt überlegte ich: Wie viele Mitglieder und Besucher werden heute kommen, was erwartet mich und welche Themen werden heute vorrangig zu behandeln sein. Da war ich dann beim Betreten des Raumes doch positiv überrascht: Der Saal war bereits zur Hälfte besetzt.

Auch für das heutige Gruppentreffen standen drei Einzelberatungen an, die ich aus verschiedenen Gründen diesmal an den Beginn setzte, um die persönlichen Fragen nach Therapien oder Behandlungen individuell zu beantworten durch "ad hoc" Beratungen.

Außer dass damit den Hilfesuchenden Rat und Hilfe zu teil wird, haben diese Beratungen während eines Gruppentreffens auch einen spezifisch, finanziellen Hintergrund. Ohne Beratungen darf der oder die Gruppenleiter/in keine Fahrtkosten nach § 20c SGB V abrechnen und muss diese dann aus eigener Tasche bezahlen.

Zwischenzeitlich waren wir vollzählig und starteten die Runde. Ich hatte meine Frage zu Beginn noch nicht einmal richtig formuliert, sofort sprudelten die Fragen aus der Runde querbeet auf mich zu:

  • Mein Tumormarker ist gestiegen?
  • Chemotherapie soll verändert werden?
  • Wie nehme ich Enzyme richtig ein?
  • Gibt es einen Engpass bei den Enzymen?
  • Wir bekommen im Moment unsere Enzyme nicht.
  • Außerdem wurden noch Fragen zu Verdauungs- und Gewichtsprobleme gestellt.

Da war mir bewusst, dass bei der heutigen Sitzung jede Frage eines jeden Einzelnen wichtig war und diese auch beantwortet werden mussten. Es ist schon erstaunlich, wie viel Sorgen und Nöten sich innerhalb von vier Wochen seit dem letzten Gruppentreffen aufgestaut hatten.

Bei einem Blick in die Runde realisierte ich, dass eine Dame heute zum ersten mal die Gruppe aufsuchte. Ich fragte nach, wer den Anfang der Fragerunde machen will. Zwei Mitglieder meldeten sich sofort, aber sie ließen der Dame den Vortritt. Sie war in Vertretung ihres Mannes da und wollte sich bei einem Gruppentreffen darüber informieren: wie ist der Ablauf einer Gruppe, wird Hilfe und Unterstützung angeboten und auch umgesetzt? Ich sprach die Dame an und sagte zu ihr: "Schauen Sie sich alles in Ruhe an. Sollten Sie Fragen haben oder sich aktiv an der Runde anschließen, sind Sie dazu herzlich eingeladen."

Dann kam unsere U. dran. "Katharina, mein Tumormarker ist wieder während der Chemopause gestiegen, nun beginnen wir wieder mit einer neuen Chemo." Allen war dadurch diese Aussage bewusst, dass U. am Ende ihrer Kraft und deshalb auch sehr deprimiert war.

Ich fragte nach: "Was passiert, wenn Du mit der Chemo aufhörst?"
U. antwortete: "Dann steigt der Tumor immer weiter und bekommt keinen Widerstand mehr."

Weitere Frage von mir: "Willst Du, dass der Tumor sich ohne Gegenwehr ausbreiten kann?"
U.: "Nein, auf gar keinen Fall."
"Also was bleibt Dir dann für eine Wahl?" hakte ich nach.
"Keine, ich muss weiter machen"  waren ihre Worte.
"Kämpfe weiter, gib nicht auf und verliere nicht den Mut" -  so forderte die Gruppe U. auf, wenn es auch schwer fallen wird.

Ein Betroffener schilderte seine Probleme mit der Ernährung.
"Ich kann nichts mehr essen, ich habe keinen Appetit mehr und alles schmeckt bitter und dabei rast mein Gewicht rapide in den Keller. Was soll oder was kann ich machen?" Alle Teilnehmer, die das gleiche Problem kennen, schilderten ihre Erfahrungen darüber, was sie tun, damit sie wieder mit Appetit essen können. Der Betroffene hörte zu und ab und zu warf er ein: "... das habe ich schon alles probiert, nur geholfen hat es halt nicht."

Leider, und das ist eine schlimme Erfahrung: Es gibt nichts Einheitliches, woran ein Betroffener sich orientieren könnte, denn jeder Einzelne ist ein Individuum was den Aufbau Organismus betrifft. Was dem einen gut tut, schadet dem anderen!

Unerwartet klinkte sich an dieser Stelle die Dame, unsere heutige Besucherin, ein. Aus ihrer Sicht schilderte sie ihre schwierige und schlimme Situation, seid ihr Mann an dieser schweren Krankheit erkrankt ist. Alles drehe sich nur noch um ihn und um seine Krankheit. "Ich dabei bleibe auf der Strecke. Ich will ihm helfen, aber wie? Mir geht es doch auch nicht gut. Auch ich hatte Krebs und musste viel über mich ergehen lassen. Und nun das!" Dass sie am Ende ihrer Kräfte war, verstanden wir. Sie hatte wohl auch Krebs, aber im Gegensatz zu ihrem Mann mit Bauchspeicheldrüsenkrebs hat diese Krebsart eine hohe Heilungschance mit der Aussicht auf viele Jahre des weiteren Lebens. Damit ihr dieser schwerwiegende Unterschied klar wurde, erklärte ich ihr was Bauchspeicheldrüsenkrebs ist, welche negativen Auswirkungen er hat und warum eine Heilungschance bis zum heutigen Tag nicht gegeben ist. Wir alle würden ihre Not verstehen, sind dennoch einstimmig der Auffassung, dass ihr Mann dringend ihre Hilfe benötigt. Wir schlugen vor, sich die Kraft hierzu bei einem Therapeuten zu holen oder boten ihr an, gemeinsam mit ihrem Mann in die Gruppe zu kommen. Sie würde ja sehen, dass immer auch Angehörige da sind und diese dann gemeinsam mit dem jeweiligen Partner sich innerhalb der Gruppe bewegen um damit Rat und Kenntnis einzuholen.

Danach machten wir eine kurze Pause und ließen uns den selbstgebackenen Kuchen von M. schmecken! Wie immer war er sehr gelungen und schmeckte einfach köstlich!

Nach der kurzen Pause meldeten sich mehrere Teilnehmer. Sie schilderten aus ihren Erfahrungen, ob positiv oder negativ, die Behandlung beim Arzt oder im Krankenhaus.

Daraus entstand eine sehr lebhafte Diskussion, vor allem bei der Beurteilung des heute angewandten Gesundheitssystems. Wir fühlen uns bei unseren Hausärzten nicht gut aufgehoben, im Krankenhaus schaut man uns nur auf den Bauch, oder viele Untersuchungen werden zu spät oder gar nicht durchgeführt. Diese zum Teil sehr ehrliche, hart geführte Diskussion resultiert vor allem aus der Erkenntnis der Ohnmacht gegenüber diesem System und der vielleicht noch bittereren Erkenntnis, nicht mal mehr richtig als Mensch wahrgenommen zu werden. Haben wir dafür in unserem Leben unsere Knochen hingehalten? Warum orientiert man sich an den geringen Fallpauschalen und warum steht der Gewinn als sogenannter Leitindex im Vordergrund?!

Hierauf eine definitive Antwort zu geben, ist sehr schwierig und ist bei genauer Betrachtung ein eigenes Thema. Damit sich die Gemüter wieder etwas beruhigen, gab ich zu Bedenken, dass in unserer Republik die medizinische Grundversorgung doch ansprechend wäre. Das schien zu wirken, die Gemüter beruhigten sich wieder und wir diskutierten ruhig und sachlich weiter.

Die Diskussionen am heutigen Tag waren so intensiv, dass wir unsere Runde über eine Stunde überzogen hatten, ohne dies zu bemerken. In der Nachbetrachtung war diese Gruppensitzung ein interessanter Nachmittag, mit einer lebhaften Gruppe, die ich als Gruppenleiterin so steuerte, dass jeder seinen persönlichen Wissensdurst gestillt bekam.

Ich wünschte allen einen guten Nachhauseweg und eine stabile Gesundheit.

Katharina Stang