Tätigkeitsbericht 2016 Regionalgruppe Rhein-Main

Was bedeutet es eine Gruppe zu leiten?

Gruppentreffen der Regionalgruppe Rhein-Main in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016, Gruppenleiterin: Katharina Stang.

Damit die regelmäßigen Gruppentreffen stattfinden und durchgeführt werden können, bedarf es der Planung, der Organisation, der Vor- und Nacharbeit, der gesetzlichen und moralischen Voraussetzungen.

Was fällt als erstes an?
Gruppentermine, Zeiten, Räumlichkeiten, Referenten festlegen, fest vereinbaren und veröffentlichen. Kontakte pflegen, Themen vorgeben, Neutralität und Unabhängigkeit wahren.

Zweiter Schritt?
Individuelle Vorbereitung, für zuverlässige und verlässliche Führung der Gruppe (eventuell eine Vertretung bei Krankheit oder sonstigen Ausfällen) sorgen. Ausarbeitung von Themen, Vorträgen und Vorlagen über PowerPoint-Präsentationen erstellen und später vortragen. Unterlagen für die Teilnehmer erstellen und vervielfältigen. Wünsche der Gruppenteilnehmer respektieren und eventuelle Referenten zu verschiedensten Themen einladen. Pressemitteilungen erstellen und an die Presse weiterleiten.

Was muss ich tun?
Teilnehmerliste erstellen und führen. Unterlagen bei Bedarf erstellen, vervielfältigen und austeilen. Dokumentationen, wie Bilder, Berichte, Nachweise erstellen und auf unsere Homepage oder ins Magazin einstellen. Pauschal- oder auch Projektanträge nach § 20 h SGB V bei den jeweiligen Kassen rechtzeitig stellen und darüber hinaus für eine ordnungsgemäße Buchführung und zeitlich festgelegte Abrechnungen sorgen. Ich muss dafür sorgen, dass Gruppenmitglieder erfahren, welche Krankenkasse uns gefördert hat.

Wichtig!
Da ich aus gesundheitlichen Gründen nicht Auto fahren kann und darf, werde ich von Herrn Klaus Bibow zu jedem Treffen gefahren!

Wie viele Gruppentreffen fanden 2016 statt?
12 Gruppentreffen und 1 Weihnachtsfeier, bei der jeder für die entstanden Kosten selber aufkam.

Teilnehmerzahlen pro Treffen
6 - 25, darunter Betroffene, Angehörige und Interessierte

Welche Themen wurden behandelt?
Verdauungs- und Gewichtsprobleme, Ernährung (enteral und parenteral), Enzyme, Operationen, bildgebende Verfahren, Operationen im Grenzbereich, Therapien (Chemo, Schmerz, Komplementär), Diabetes 3c, Sexualität, Studien, Nachsorge. Was kann ich selber tun, wo bekomme ich Hilfe in meiner persönlichen Situation, Arbeitslosigkeit, Schwerbehinderung, Verrentung, mein Weg durch die Erkrankung, Konfrontation mit der Endlichkeit, Patientenverfügung, Generalvollmacht.

Wer unterstützte fachlich, menschlich und ideell die Gruppentreffen?
Herr Professor Dr. med. Carl C. Schimanski, Schwester Liberata Ricker, Herr Klaus Bibow.

Um welche Erkrankung geht es?
Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, insbesondere Bauchspeicheldrüsenkrebs, und deren Nachbarorganen, sowie die verschiedensten Tumorarten.
Die Lage, die hohe Aggressivität, das oftmals schnelle Ausbreiten in andere Organe und die meistens zu spät gestellte Diagnose machen diesen Krebs unberechenbar. Trotz intensiver Forschung, neuer Techniken, verbesserter und fortschrittlicher Behandlungen und verschiedener Chemotherapien ist Bauchspeicheldrüsenkrebs Zurzeit noch nicht heilbar.
Oftmals müssen Betroffene viele Therapien und Behandlungen durchmachen und diese auch aushalten. Im Laufe der Erkrankung können viele Komplikationen auftreten und Krankenhauseinweisungen zur Folge haben.
Mit der Diagnosestellung ist die Lebensqualität deutlich eingeschränkt und oftmals werden sie zum ersten Mal mit ihrer Endlichkeit konfrontiert. Der Alltag von Betroffenen und ihren Angehörigen ist mit vielen wichtigen Terminen, die eine notwendige Behandlung erforderlich machen, gepflastert und ihre gesamte Lebensführung und Lebensplanung sind von jetzt auf nachher in Frage gestellt.

Betroffene und Angehörige suchen Hilfe in der Selbsthilfe!
Sie kommen mit vielen Fragen, Problemen, Ängsten, Sorgen und Nöten in die Gruppentreffen und wollen Antworten auf ihre persönlichen Fragen. Sie suchen nach Informationen und Erfahrungen von Gleichgesinnten, ohne Scheu, auch Unangenehmes anzusprechen, um Wege zu finden, mit ihrer eigenen Erkrankung besser umzugehen.
Erfahrene Kompetenz, die erlebte Erfahrung, der fachliche, menschliche, neutrale und unabhängige Umgang miteinander, geben ihnen Halt, Sicherheit und Wissen, sich im Dschungel des heutigen Gesundheitssystems zu Recht zu finden. Sie alleine entscheiden darüber, ob der Besuch einer Selbsthilfe sie in ihrer Erkrankung stärkt oder schwächt und ob sie diese Gruppe weiterhin besuchen, um von deren Wissen, Angeboten und Aktivitäten zu profitieren.
Sie wissen und spüren täglich, dass unser heutiges Gesundheitssystem sehr kostenorientiert ist und der Mensch mit seinen Bedürfnissen oftmals auf der Strecke bleibt. Sie suchen Zeit, Verständnis, Fürsorge, Offenheit u. v. m., oftmals vergeblich. Stattdessen begegnen ihnen Zeitdruck, Unverständnis, Unmenschlichkeit, Hast und Stress. Ihr Wunsch, ihnen einfach nur zuzuhören, bleibt oftmals unerfüllt. Die Folge ist, dass Betroffene und ihre Angehörigen sich nicht verstanden, aufgehoben und gut betreut fühlen. Deshalb stellen sich oftmals Unzufriedenheit und Aggressionen ein. Sie fühlen sich unverstanden, hilflos, alleine und wertlos.

Was erwarten sie von den Gruppentreffen der Selbsthilfe?
Betroffene wollen kein Mitleid, sondern Möglichkeiten finden, mit dieser schweren Erkrankung weiterleben zu können und dabei die Lebensqualität und Lebenszeit weiter zu verbessern und zu erhalten. Sie suchen Menschen, die ihnen zuhören, neutral und unabhängig ihre Erfahrungen und Meinungen weitergeben, sie dort unterstützen, beraten und begleiten, wo sie Hilfe benötigen.

Wie laufen Gruppentreffen ab?
Jedes Treffen läuft individuell ab und wird nach den momentanen Bedürfnissen der Teilnehmer und deren augenblicklichen Situation gestaltet. Dabei werden die verschiedensten Fragen beantwortet, erklärt und erläutert. Jeder der Betroffenen und Angehörigen kommt zu Wort, jeder kann und darf das ansprechen, was für ihn jetzt wichtig ist. Wir hören zu!
Meine Aufgaben sind, zu moderieren und Fachliches richtig weiter zu geben, der Gruppe ihren eigenen Lauf zu lassen, neue Teilnehmer aufzufangen und allen Anwesenden gleichzeitig Trost, Hoffnung, Mut und Zuversicht zu vermitteln und für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.

Worauf muss ich achten?
Betroffene und deren Angehörige sind in einer Notsituation, sie fühlen sich dieser schweren Erkrankung schutzlos ausgeliefert. Sie merken, dass nichts mehr ist, wie es war, und das macht ihnen Angst. Man muss wissen, dass kranke Menschen oftmals anders reagieren als man es gewöhnt ist oder erwartet. Ein falsches Wort, eine falsche Geste oder Information kann einen Betroffenen in eine uferlose Traurig- und Hoffnungslosigkeit stürzen. Deshalb muss man sehr vorsichtig und behutsam mit den Betroffenen aber auch mit den Angehörigen umgehen, sich aber selber nicht verbiegen oder gar zu etwas hinreißen lassen, was fatale Folgen haben kann. Weiterhin muss ich auf die Teilnehmer achten und sofort eingreifen, wenn ich das Gefühl habe, es geht ihnen gesundheitlich nicht gut. Sehr oft muss ich schnelle Entscheidungen treffen, z.B. wie kann ich das Problem lösen, nehme ich ärztliche Hilfe, wenn vor Ort vorhanden, in Anspruch oder rufe ich den Krankenwagen?

Was bedeutet für mich die ehrenamtliche Leitung?
Idealismus, Freude, Menschlichkeit, Bereitschaft, hoher Zeitaufwand, Wissen, Kompetenz, Achtung, Respekt und soziales Engagement.
Ich bin mir der hohen Verantwortung, die diese Gruppenleitung mit sich bringt, durchaus bewusst. Jedes Treffen verlangt von mir medizinisches, menschliches, rechtliches, sportliches, psychologisches und bürokratisches Wissen ab. Ich muss im Stande sein, auf jede Situation reagieren zu können und gegebenenfalls die richtige Entscheidung zu treffen. Immer wieder kommt es vor, dass unvorhersehbare Situationen oder Notfälle (wie z.B. Unterzuckerung, Übelkeit, Erbrechen, massiver Durchfall oder Verwirrung) eintreten und ich gezwungen bin zu handeln, um das Leben des Betroffenen nicht zu gefährden.
Das Auffangen, Begleiten und Betreuen sind ganz wichtige Faktoren in den Gruppennachmittagen. Ich muss erklären können, warum der oder die Betroffene nicht mehr kommt, den Neuen Mut und Hoffnung vermitteln und den zurückbleibenden Angehörigen helfen, das Leben neu zu gestalten.

 

Brauchen wir externe Referenten?
Aufgrund meines großen fachlichen Wissens rund um die Bauchspeicheldrüse kann ich die meisten Themen persönlich abdecken und benötige deshalb nur selten Referenten zu den unterschiedlichsten Themen. Außerdem spart es auch Kosten und Zeit!
Da sich in der Medizin durch Entwicklung und Forschung oftmals Änderungen ergeben, laden wir von Zeit zu Zeit externe Referenten zu Vorträgen ein und kommen damit unserer Verpflichtung nach, immer auf dem aktuellsten und neuesten Stand zu sein.
Eine große Hilfe ist mir und den Gruppen der Ärztliche Beirat von TEB, der uns mit Rat und Tat zur Seite steht.

Was bieten die Gruppentreffen?
Informativer, gemeinsamer Austausch, fachliche und erfahrene Kompetenz, Zusammenhalt und Gemeinschaft, kontinuierliche Anlaufstelle, menschlicher Umgang, Zeit und Verständnis.

Was ist, wenn das Gruppentreffen vorbei ist?
Auch außerhalb der Gruppe werde ich von Betroffenen und deren Angehörigen kontaktiert, wenn sie sich in Not oder alleine gelassen fühlen. Sie wissen, dass ehrenamtliche Gruppenleiter bei TEB e.V. fast immer zu erreichen sind. Dagegen sind Kassen, Beratungsstellen oder Fachärzte nur zu festen Bürozeiten zu erreichen. Häufig kommt es nach Abschluss der Gruppentreffen noch zu Klärung persönlicher Fragen in individuellen Gesprächen oder Beratungen.

Warum muss ich die Gruppe in Darmstadt leiten?
Trotz intensiver Suche finden sich keine Gruppenleiter und auch kein Vertreter und keine Ehrenamtlicher!
Betroffene sind auf Grund ihrer Erkrankung körperlich und seelisch zur Führung einer Gruppe nicht in der Lage. Angehörige sind oftmals mit der Begleitung und Pflege ihrer Angehörigen überfordert und überlastet. Wenn sie ihren Partner verlieren, wollen sie von der Krankheit nichts mehr hören.

Welchen zeitlichen Aufwand erfordern diese Treffen?
Für Vorarbeiten, Hin- und Rückfahrt, Räume richten, Vorgespräche mit Ärzten, persönliche Beratungen von Betroffenen und Angehörigen, Leitung der Gruppe, Nachgespräche, Aufräumen, Nacharbeiten zur Dokumentation benötige ich pro Treffen ca. 12 Stunden.

Welche notwendigen Kosten fallen an?
Fahrtkosten 105,00 € (hin und zurück 350 km, pro Kilometer 0,30 €) sind die höchsten Kosten. Für Vor-und Nacharbeiten und Telefon fallen 16,00 € an.

Was passiert, wenn anfallende Kosten nicht erstattet werden?
Zum jetzigen Zeitpunkt müsste die Gruppe geschlossen werden und viele Betroffene und deren Angehörigen wären wieder auf sich alleine gestellt. Z. B. müssten Fahrtkosten auf die Teilnehmer umgelegt werden.
Andere Geldquellen müssten gefunden werden.

Warum findet man kaum noch Ehrenamtliche in der Selbsthilfe?
Geringe Anerkennung, Wertschätzung und Achtung in der Öffentlichkeit.
Hohe Bürokratie, hoher Arbeitsaufwand, gesetzliche Vorschriften. Ständige Änderungen bei den Förderanträgen nach § 20h SGB V. Unverständliche Auslegung der Pauschal- und Projektförderungen. Die Nichterstattung der tatsächlich anfallenden Kosten.
Ich und viele ehrenamtliche Helfer haben das Gefühl, dass wir benutzt und ausgenutzt werden.

Worauf sollte geachtet werden, damit Ehrenamtliche eine Gruppe übernehmen?
Das Ehrenamt muss wieder Freude machen! Das Ehrenamt muss mehr Anerkennung und Wertschätzung bekommen!
Anfallende, notwendige Kosten müssen erstattet werden!
Man sollte unbedingt darüber nachdenken, wie viele Kosten durch eine gut funktionierende Gruppe den Krankenkassen, der öffentlichen Hand und dem Staat erspart bleiben.
Ich denke es ist wichtig, dass man Regeln beachten und einhalten muss, Gruppenleiter/innen ist es nicht zuzumuten, dass sie, wenn sie das Amt der Gruppenleiter/in ausführen, anfallende Kosten zum Teil selber tragen müssten.
So bekommen wir, aber auch andere Selbsthilfegruppen, keine Ehrenamtlichen mehr.
Oder es ist gewollt, dass die Selbsthilfe aufgibt?
Jeder der über das Wohl und Wehe der Selbsthilfegruppen zu entscheiden hat, sollte sich der Mühe unterziehen, die Tätigkeit der Selbsthilfe in der Praxis kennenzulernen. Gerne können mich Entscheidungsträger jeder Ebene bei meiner Tätigkeit als Gruppenleiterin begleiten.

Katharina Stang