Vortrag von Tanja Link: Posttraumatische Belastung / Störungen (PTBS)
Gruppe Mittlerer Neckarraum
Bericht zum Vortrag Posttraumatische Belastung / Störungen (PTBS)
Referentin: Tanja Link (Fachtherapeutin für Pschoonkologie)
am 17.11.2009
Mit Spannung wurde dieser Nachmittag von unseren Gruppenmitgliedern und deren Angehörigen erwartet. Jeder der Betroffenen, Angehörigen und oftmals auch die gesamte Familie haben mit Posttraumatische Belastungen / Störungen nach der schweren Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs zu kämpfen. Frau Link stellte die verschiedenen Phasen und Gruppierungen der Psychoonkologie vor und zeigte anhand von Beispielen, wo und wie Störungen in der Regel eingeordnet werden. Schon hier war zu erkennen, dass Fachtherapeuten verschiedene Auffassungen und Meinungen bei der Bewertung der Erkrankung haben.
Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs stürzt Menschen in eine schwere Krise, man spricht von einem Schockzustand. Viele Menschen benötigen dringend fachliche Hilfe und sollten psychologisch betreut werden. Leider haben wir hier ein sehr großes Defizit. Es treten bei den Betroffenen Angst, ja sogar Todesangst auf und diese ziehen eine Flut von emotionaler Prozesse nach sich, die sich auch auf die gesamte Familie übertragen können. Jeder Mensch reagiert in einer solchen Situation anders und es muss ein eigener Weg gefunden werden, mit der schweren Erkrankung oder Situation umzugehen. Das ist leichter gesagt als getan. Es ist ein großer Unterschied, ob man über Krebs redet oder Krebs hat. Partner, Angehörige leiden, sie haben ihre eigenen Ängste und oftmals müssen sie noch die Ängste der Kinder mittragen. Innerhalb der Familie herrscht eine Ausnahmesituation und viele Emotionen wie auch Aggressionen werden plötzlich freigesetzt. Man erkennt oftmals die Reaktionen seines Partners nicht mehr und das Verstehen fällt unendlich schwer. Man kämpft auch mit Schwierigkeiten in der Ehe und im Umfeld.
Nach diesem interessanten und verständlichen Vortrag von Frau Link brauchten wir dringend eine Pause. Wir mussten Abstand von dem gehörten bekommen, um den zweiten Teil besser aufnehmen zu können. Schon während der Pause wurde bei Kaffee und Kuchen sehr eifrig untereinander diskutiert und manches kam den Teilnehmern sehr bekannt vor. Einige Situationen erleben sie im täglichen Umgang mit der eigenen Erkrankung.
Jetzt war Frau Link gestärkt und offen für unsere Fragen. Betroffene und Angehörige schilderten ihre eigenen Sorgen, Ängste und Schwierigkeiten. Dabei stellte sich heraus, dass jeder unterschiedlich reagiert und jeder seine eigene Strategie entwickelt, wie er mit der Erkrankung oder Situation umgeht. Wir konnten hautnah miterleben, dass Angehörige genauso stark oder oftmals noch stärker unter der angespannten Situation leiden. Sie fühlen sich überfordert, hilflos und völlig alleine. Sie können oft nur unter größter körperlicher und seelischer Anspannung ihre Aufgaben innerhalb und außerhalb der Familie erfüllen. Menschen befinden sich in einem Ausnahmezustand. Eine solche niederschmetternde Diagnose wie Bauchspeicheldrüsenkrebs verändert das ganze Leben. Man erkennt seinen Partner nicht mehr. Vieles, was einmal wichtig war, ist unwichtig und bedeutungslos geworden.
Die Gruppe war heute eine andere. Sie war noch ehrlicher, persönlicher und intensiver als sonst. Wir spürten die große seelische Belastung und auch die damit verbundene Not der Betroffenen und deren Angehörigen und das Bedürfnis nach Hilfe und Menschen, die sie auffangen. Monatelange Blockaden wurden plötzlich in dieser Gruppe frei und lösten angestaute Trauer, Tränen und Wut bei den Anwesenden aus. Alle waren betroffen und es fiel uns schwer, zur Tagesordnung überzugehen.
Frau Link gab ihr Bestes, sie vermittelte Mut und Kraft und erklärte, auf was wir in Zukunft besser achten sollten. Dabei sagte sie: "... es ist ungeheuer wichtig, dass wir miteinander im Gespräch bleiben. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich zu fragen: Warum bin gerade ich erkrankt? Was habe ich getan? Was hätte ich anders machen müssen? ..."
Dieser Nachmittag ging mir persönlich sehr nahe. Ich spürte die Ängste, Sorgen und Verzweiflung. Zwangsläufig stellte ich mir als Gruppenleiterin die Frage: "Was kann ich in Zukunft verbessern? Welche Hilfestellungen sind wichtig und sinnvoll? Wo müssen wir fachliche Hilfe anfordern?"
Meine Gedanken wurden erraten und wir streiften kurz verschiedene Möglichkeiten in der Zukunft. Alle waren sich einig - der regelmäßige Austausch unter den Betroffenen darf unter keinen Umständen gekürzt werden. Das persönliche Gespräch innerhalb der Gruppe bringt den Betroffen und den Angehörigen viel und sie finden einen persönlichen Halt. Es wurde erzählt, dass die Gruppe ein wichtiger Bestandteil für Betroffene und Angehörige ist, man freut sich einmal im Monat unter Gleichgesinnten zu sein. Hier kann man reden, lachen weinen und einfach nur Mensch sein, ohne dass man sich zusammenreißen muss. Viele waren dieser Meinung, dass zeigte der anschließende Applaus.
Gegen 18:00 Uhr schloss ich die Gruppe, damit noch persönliche Fragen an Frau Link oder an mich gestellt werden konnten. Erstaunlich viele nahmen das Angebot an und viele einzelne Gespräche wurden noch geführt.
Sehr spät kam ich an diesem Tag nach Hause, mir gingen die Gespräche und die Eindrücke von diesem Nachmittag nicht aus dem Kopf. Noch immer war ich erschüttert über die Hilflosigkeit und die oft unmenschliche Situation, die Betroffene während ihrer Erkrankung erfahren müssen. Gott sei Dank kann ich mit meinem Mann über alles sprechen und er gab mir wieder die nötige Kraft, Mut und auch Hoffnung, dass es irgendwann Besserung geben wird. Mit diesen positiven Gedanken konnte ich allmählich das Gehörte verarbeiten.
Ich würde mir wünschen, dass Menschen mit einer schweren Erkrankung in der Gesellschaft besser aufgenommen werden und dass man weniger ich und dafür mehr wir leben. Es heilt nicht, aber es macht das Leben erträglicher.
Vielen Dank!
Katharina Stang