Vortragsveranstaltung "Einführung in die neuen zielgerichteten Therapien"

pfeil_zurueck.jpg  Zurück

Bericht über die Vortragsveranstaltung am 16.11.10 in Schwäbisch Hall
Thema: Einführung in die Neuen zielgerichteten Therapien
( Targeted Therapies )
Referent: PD Dr. Schulze - Bergkamen vom NCT Heidelberg

Der Gruppenleiter, Herr Horcher, konnte eine sehr interessierte Teilnehmerschar begrüßen und dann nach kurzen einleitenden Worten an den Referenten, Herrn PD Dr. Schulze-Bergkamen übergeben, der sich zunächst für den zahlreichen Besuch dieser Veranstaltung bedankte.

Der Referent stellte zunächst den Neubau vom NCT Heidelberg vor, an dem er tätig ist. Das NCT ist als Ambulanz bzw. Tagesklinik eingerichtet worden, versorgt also nicht den stationären Bereich. Zwischenzeitlich hätten sich gute Strukturen im NCT herausgebildet. Weiterhin bestehe eine enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum, wovon natürlich die Patienten profitierten.
Dann verwies der Referent darauf, dass sich die Onkologie in den letzten Jahren stark verändert habe. Neben bekannten Chemotherapien als Standard sind die neuen zielgerichteten Therapien getreten, die sich gezielt an den speziellen Eigenschaften von Tumorzellen orientieren. Diese neuen Therapien ergänzen den bisherigen Standard, haben ihn also keineswegs verdrängt. Eine Tumorzelle weist eine Vielzahl genetischer Mutationen auf, was der Referent in mehreren Schaubildern aufzeigte, was dieser Tumorzelle eben besondere Eigenschaften zuweist. Konkret geht es dabei um die Aktivierung bestimmter Signalwege. Die Fragestellung ist also, welche Signalwege der Tumorzelle blockiert werden sollen und können.
Nunmehr stellte der Referent die hauptsächlichen Eigenschaften von Tumorzellen vor, die sie von gesunden Zellen unterscheiden, nämlich die fehlende Zellalterung, die Bildung neuer Blutgefäße zur Versorgung der Tumorzellen, den fehlenden Zelltod, die Fähigkeit zur Loslösung aus dem Zellverband und Metastasierung, die Fähigkeit zum ungehemmten Wachstum sowie die Ausschaltung des Immunsystems. Schließlich erläuterte der Referent detailliert diese speziellen Tumoreigenschaften und die daraus resultierenden Therapieansätze.
Normalerweise sorgen Telomere (Endstücke der Chromosomen), die sich bei jeder Zellteilung verkürzen, für die Zellalterung und damit den schließlichen Zelltod. Die sich schnell teilenden Tumorzellen verfügen jedoch über Enzyme (Telomerasen), die diese Telomere wieder reparieren, so dass die Tumorzelle trotz häufiger Teilung nicht altert. Dagegen werden spezielle Hemmstoffe entwickelt (Telomerase-Hemmstoffe), die die Tumorzellen zur schnellen Alterung und deren Tod führen sollen.
Die Gefäßneubildung zur Versorgung der Tumorzellen mit Sauerstoff und Nahrung wird durch bestimmte Botenstoffe der Tumorzelle verursacht (VEGF), wogegen sich die Therapie mit speziellen Antikörpern richtet (z.B.Bevacizumab), die diesen Signalweg blockieren.
Ein besonderes Problem stellt der fehlende Zelltod (Apoptose) der Tumorzelle dar, woran eifrig geforscht werde. Aus dem Teilnehmerkreis heraus entstand hier eine lebhafte Diskussion zum Wirkstoff Wogonin und dem Ansatz, diesen Zelltod durch eine Eisenüberladung der Tumorzelle herbeizuführen.
Eine besondere Eigenschaft von Tumorzellen ist auch ihre Fähigkeit zur Metastasierung, d. h. sich durch spezielle Enzyme aus dem Zellverband lösen, quasi sich herausfräsen zu können, um danach an anderer Stelle einen neuen Tumorherd zu begründen. Hier konzentriert sich die Forschung auf die Entwicklung spezieller Enzym-Hemmer. Der Eigenschaft der Tumorzelle zum ungehemmten Wachstum will man mit entsprechenden wachstumshemmenden Arzneistoffen begegnen.

Anschließend widmete sich der Referent dem Immunsystem, dessen Bedeutung und Möglichkeiten bei Tumoren und den neuen Impfungen, z. B. beim Zervixkarzinom und den Tumoren im Kopf-Hals-Bereich.
Die neuen Waffen der zielgerichteten Therapie sind einmal die monoklonalen Antikörper, die von außen an den Signalwegen der Tumorzelle ansetzen, sowie die Kinase-Inhibitoren, die die Signalwege innerhalb der Zelle blockieren. Danach ging der Referent noch kurz auf die Entwicklung der Gentherapie ein.
Leider ist von diesen neuen Therapien beim Pankreaskarzinom bisher nur Erlotinib zugelassen, auf das der Referent mit mehreren Schaubildern und Statistiken einging. Aus diesen Statistiken ergab sich allerdings recht deutlich eine recht eingeschränkte Wirksamkeit bei allenfalls kurzer Lebensverlängerung, weshalb Erlotinib aus dem Teilnehmerkreis stark kritisiert wurde. Der Referent räumte auch ein, dass man am NCT Erlotinib nach 4 – 8 Wochen wieder absetze, wenn kein Hautausschlag auftrete, da dann keine Wirksamkeit außer Nebenwirkungen bestehe. Die ohnehin eingeschränkte Wirksamkeit ist abhängig von der Stärke des Hautausschlags. Profitieren können von einer solchen Therapie eigentlich nur die Patienten, die einen besonders starken Hautausschlag aufweisen, und auch dann nur mit einer kurzen Lebensverlängerung. Abschließend führte der Referent noch aus, dass die Zukunft in einer für den jeweiligen Patienten maßgeschneiderten Therapie bestehen werde.

Dem Referat schloß sich eine lebhafte Diskussion an, in der viele Fragen gestellt und manche Gesichtspunkte noch vertieft werden konnten. Trotz der doch recht schwierigen Materie waren alle mit vollem Interesse dabei. Die Teilnehmer dankten dem Referenten schließlich durch lauten Beifall. Natürlich wird diese Thematik noch oft Gegenstand von Gesprächen und Diskussionen in der Gruppe sein.

Als schließlich der Gruppenleiter, Herr Horcher, die Veranstaltung schloß, brachten alle Teilnehmer zum Ausdruck, viel gelernt und erfahren zu haben, auch wenn dies letztlich angesichts der schwierigen Materie ein anstrengender Nachmittag gewesen ist.

Joachim Horcher